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Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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sich selbst beigebracht hatten.
    Fehir betrachtete sie lange. Sinnlos gestorben.
    Hinter den Opfern lagen die sechs toten Stammeskrieger. Weiteres Totengeld würde bezahlt werden müssen. Turak Khan würde ihm die Augen ausstechen lassen. Diese Expedition war eine einzige Katastrophe.
    N’Go war nicht unter den toten Barbaren. Er stand etwas abseits und lächelte. Fehir bemerkte es aus dem Augenwinkel. Rasende Wut erfasste ihn.
    Langsam ging er zu ihm hinüber. N’Go lächelte noch immer, aber sein Lächeln erstarb, als ihn Fehir mit der Rückseite seiner Hand niederschlug. Der Barbar stolperte und fiel hin.
    Fehir spuckte auf ihn herab.
    »Du bist an allem schuld!«, kreischte er. »Du solltest diese Menschen einfangen und nicht abschlachten, du Sohn eines Affen!«
    N’Go schwieg. In seinen Augen blitzte unsagbarer Hass. Dieser bleichhäutige Mann hatte ihn vor seinen Stammesbrüdern gedemütigt, und diese Schande konnte nur mit Blut abgewaschen werden.
    Der Kapitän sah die Veränderung in N’Gos Mienenspiel. Er sah den Hass. Ab jetzt würde er seine Augen überall haben müssen oder er würde mit einem Steinmesser im Rücken sterben.
    »Onga!«, rief jemand hinter ihm.
    »Was ist?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.
    »Junge lebt!«
    Überrascht ging Fehir zu dem Kind, das sich vom Boden aufgerappelt hatte. Er hätte nicht gedacht, dass jemand dieses Gemetzel überlebt hatte.
    Der Junge starrte auf seine tote Familie herab. Erstaunlich, dass er nicht weint, dachte der Kapitän.
    »Schafft ihn an Bord und vergrabt die Toten!«, befahl er.
    Karem hob den Blick und zum zweiten Mal an diesem Tag sah Fehir das Versprechen eines nahen Todes.
     
     

11.
     
    Eine Stunde später stieg das Luftschiff wieder in den Himmel hinauf.
    Djoran, Gram, Medak und Marga waren hastig verscharrt worden. Die toten Stammeskrieger lagen aufgebahrt in einem abgesperrten Lagerraum unter Deck. Die N’Guur nahmen stets die Leichen ihrer gefallenen Stammesbrüder mit. Später würden ihre Schädel und Hände den uralten Riten nach mumifiziert und in der Heimatwelt der N’Guur, Sodal-Baat, begraben werden.
    Karem hatte man grob an Bord des Spähers hochgezogen. Unter seinen Achseln brannten die blutigen Striemen der Seile, mit denen man ihn wie ein Stück Vieh über die Reling gehievt hatte.
    Nun lag er festgebunden in einem dunklen Lagerraum. Nur wenig Tageslicht fiel durch die schmalen Spalten zwischen den Holzplanken. Nachdem sich seine Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, erkannte er, dass er nicht allein war.
    In zwei Reihen auf beiden Seiten des Schiffes kauerten angekettet zwölf Menschen. Fünf Frauen und sieben Kinder im Alter von vier bis dreizehn Jahren. Niemand sprach ein Wort, lediglich das Wimmern der Kleinkinder erfüllte den stickigen Raum.
    Die größeren Kinder und ihre Mütter hatten die Knie angezogen und brüteten dumpf vor sich hin. Jeder kannte das unaussprechliche Schicksal, das sie auf Omrak erwartete.
    Ein Teil der Frauen und Kinder würden als Lustsklaven gehalten werden, bis ihre neuen Herren ihrer überdrüssig waren, dann würden sie wie der Rest in den Schwefelminen schuften, bis ihnen die giftigen Dämpfe die Netzhaut der Augen zerfressen hatten, und sie nach wenigen Jahren, als Greise von ihrem Schicksal erlöste.
    So schwiegen sie alle, beantworteten nicht einmal die jammernden Fragen ihrer Kinder.
    Karem saß etwas abseits von einem kleinen Mädchen mit dunkelbraunen Haaren. Sie mochte vielleicht acht Jahre alt sein und spielte mit den Gliedern der Eisenkette, mit der sie an die Bordwand gefesselt war. Das leise, stetige Klirren ging ihm auf die Nerven. Er wollte allein, ungestört mit seiner Trauer und seinem Hass sein.
    Das Mädchen bemerkte seinen Blick und lächelte zaghaft.
    »Hallo«, sagte sie freundlich.
    Karem wandte den Kopf ab und hoffte, dass sie dieses Signal verstand. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine Unterhaltung.
    »Ich habe ‘Hallo’ gesagt!«, beharrte das Mädchen.
    »Das habe ich gehört«, knurrte Karem unfreundlich.
    »Du musst jetzt auch ‘Hallo’ sagen«, meinte das Mädchen energisch.
    »So muss ich?«, fragte Karem boshaft. »Wer sagt das?«
    »Meine Mutter! Sie sagt, wenn man jemanden freundlich grüßt, darf man erwarten, auch gegrüßt zu werden.«
    Karem drehte sich ein wenig und spähte in die Düsternis. Das Mädchen saß ebenso wie er abseits und allein.
    »Deine Mutter scheint im Augenblick aber nicht hier zu sein!«
    Das Mädchen brach in

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