Das Flüstern des Windes (German Edition)
vollkommen. Er fühlte sich wie ein Ertrinkender, der im letzten Augenblick die Wasseroberfläche durchstoßen hatte und nun die lebensrettende Luft in seine Lungen pumpte.
Eine Peitsche knallte. Unglaublicher Schmerz jagte seinen Rücken hoch, und die Wucht des Schlages zwang ihn auf die Knie.
»Aufstehen!«, brüllte jemand.
Wieder zerfetzte die Peitsche sein Hemd und die darunter liegende Haut. Mühsam rappelte er sich hoch. Als er die Augen öffnete, blickte er in das mit weißen Kreisen bemalte Gesicht eines N’Guur. Seine ganze Miene drückte Grausamkeit aus. Noch immer deutete die Peitsche auf ihn. Karem hob abwehrend die Hände, aber jemand stieß ihn unsanft von hinten, und er stolperte vorwärts.
An der Reling wurden ihm Hand- und Fußfesseln angelegt, bevor man ihn wie ein Stück Vieh von Bord hievte und zur Erde herabließ.
Unten nahmen ihn weitere Aufseher in Empfang und trieben ihn mit den anderen Gefangenen zu einem flachen, weißgetünchten Gebäude, hinter dem gigantische Sanddünen den Horizont verdeckten.
Eine unbarmherzige Wüstensonne brannte auf die gequälten Menschen herab, die immer wieder hinfielen, da sie es nicht gewöhnt waren, durch hohen Sand zu stapfen. Die Peitschen sangen ihr grausames Lied und zwangen alle weiterzugehen.
Karem war einer der Letzten in der langen Reihe, die durch die Sanddünen trotteten. Vor ihm gingen über zwanzig Menschen, alle in erbärmlichem Zustand. Ihre Kleidung war zerfetzt und mit Kot und Urin beschmutzt. Er sah an sich herab. Auch seine Sachen waren zu Lumpen geworden. Seine Kopfhaut, bedeckt mit Läusen, juckte, und auf seinen abgemagerten Armen entdeckte er rote, geschwollene Flohbisse.
Hinter ihm gab es Tumult. Karem drehte den Kopf so gut es ging, ohne aus dem Marschrhythmus zu kommen und spähte zurück.
Die N’Guur ließen an vier dicken Seilen das Monster herab, das heftig strampelte und dadurch das schwebende Luftschiff zum Schwanken brachte. Karem hatte noch nie einen Ork gesehen, aber sein Vater hatte ihm oft von den riesigen Feinden der Menschen erzählt.
Trotzdem hatte er Mitleid mit der Kreatur, auf die mehrere Barbaren wild einprügelten, sobald der Ork den Boden erreicht hatte. Ein schmerzhaftes Jaulen zog zum Himmel.
Bevor Karem weitere Beobachtungen machen konnte, wurde ihm ein Peitschenstiel zwischen die Schulterblätter gerammt. Von nun an wagte er es nicht mehr, sich umzudrehen.
Die Aufseher trieben die Gefangenen in das flache Gebäude, das als Mobiliar einzig einen Holztisch und einen grob gehauenen Hocker aufwies, auf dem ein alter Mann saß, der sie alle mit zusammengekniffenen Augen anstarrte. Er war von hagerer, großer Statur, die ein weißer Mantel noch betonte. Sein faltenreiches Gesicht war von der Sonne gebräunt und wirkte wie altes Leder. Ein dünner grauer Bart spross an dem Kinn.
Der Ork schien draußen angepflockt worden zu sein, jeder im Raum konnte sein klägliches Wimmern hören. Ansonsten herrschte eine unnatürliche Stille.
Der alte Mann winkte mit der Hand, und nacheinander wurden die Gefangenen vor den Tisch geführt. Er befühlte ihre Körper und zwang sie, den Mund zu öffnen, so dass er ihre Zähne untersuchen konnte. Nach jeder Begutachtung ging er zurück zum Tisch und schrieb mit einer seltsamen, krakeligen Schrift Bemerkungen in ein ledergebundenes Buch.
Frauen und Mädchen wurden von den männlichen Kindern getrennt und in einen Nebenraum geführt. Lelinas große Augen drückten Verzweiflung aus, als man sie von Karem wegführte.
Schließlich stand er mit sechs anderen Jungen allein da. Die meisten von ihnen waren jünger als er und hatten den Kopf untertänig gesenkt. Nur ein hoch aufgeschossener Vierzehnjähriger, der sie alle um Haupteslänge überragte, starrte mit trotzig verkniffener Miene den alten Mann an.
Der Gutachter gab einen leisen Befehl. Sofort sprangen vier N’Guur-Krieger vor und prügelten auf den Jungen ein, bis dieser blutend auf dem nackten Boden lag und sich nicht mehr rührte.
Ein Wächter zog den Bewusstlosen an einem Fuß haltend aus dem Raum, wobei der Kopf des Jungen eine blutige Spur auf den Steinplatten hinterließ.
Der Alte wandte seine Aufmerksamkeit den restlichen Jungen zu.
»Ich bin Safed Ben Hari, Auktionator unseres Herren Turak Khan, dessen Name für seine Güte gepriesen sei.«
Seine grauen Augen musterten die Reihe kläglicher Gestalten. »Ihr befindet euch nun in Omrak, der Welt des Handels. Ihr seid Sklaven, die kein anderes Vergnügen und
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