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Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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hatten die Tiere dahingerafft, und mehr als einmal war die Pumpe stehen geblieben oder hatte nur unzureichend Wasser gefördert, was angesichts des trockenen Bodens der Plantage, der ständig bewässert werden musste, eine Katastrophe war.
    Andererseits dachte sich Karem, auch die menschlichen Sklaven hatten Geld gekostet, und auch sie wurden bei jedem kleinen Vergehen fast zu Tode geprügelt. In den Augen der Römer waren er und die anderen Sklaven weniger wert als Tiere. Warum sollten sie ausgerechnet ein Monster wie den Ork besser behandeln.
    Karem hatte die Grube erreicht. Unermüdlich stapfte der Ork durch den Unrat, der auf dem sandigen Boden lag, und schob dabei den schweren Holzbalken im Kreis, der die Wasserpumpe betätigte, die ihrerseits Wasser auf die Felder fließen ließ. Karem konnte nicht anders, er bewunderte das ausgeklügelte System, das dafür sorgte, dass die Felder niemals austrockneten und somit das ganze Jahr bepflanzbar und erntefähig waren.
    Als der Ork bei seiner Runde an Karem vorbeikam, blieb er stehen. Seine roten Augen richteten sich erwartungsvoll auf den Jungen. Soweit Karem das beurteilen konnte, wirkte das Wesen friedlich. Wahrscheinlich machten ihm seine Wunden noch zu schaffen. Eigentlich war es unglaublich, dass der Ork das Wasserrad schon wieder bewegen konnte. Dieses Monster musste sogar widerstandsfähiger als ein Groul sein.
    Obwohl Karem erhöht am Rand der Grube stand, überragte ihn der Ork um zwei Köpfe. Beide starrten einander abwartend an. Schließlich wurde Karem der Futtereimer zu schwer und er setzte ihn ab.
    Minuten vergingen, während sie sich musterten.
    Plötzlich sprach ihn der Ork an: »Komm!«
    Das Wort klang wie Donnergrollen aus der Kehle des Wesens.
    Aus irgendeinem Grund erfasste Karem eine tiefe Ruhe und die Gewissheit, dass ihm das Monster kein Leid zufügen würde. Ohne weiter darüber nachzudenken, kletterte er in die Grube hinab und zog den abgestellten Eimer herunter.
    Der Ork machte ein, zwei Schritte, bis er direkt vor Karem zum Stehen kam. Nun trennte die beiden nicht mehr als ein Meter. Der Schatten des Orks fiel auf Karem, und er musste den Kopf in den Nacken legen, um in die Augen des Wesens blicken zu können.
    Obwohl er an den Holzbalken gefesselt war, reichte der Spielraum seiner Kette. Er konnte jederzeit nach Karem greifen und ihn packen.
    Der Ork kam noch ein weniger näher. Seine breiten Nasenlöcher schnupperten. Karem blieb fast das Herz stehen, als der Ork die Oberlippe hochzog und sein raubtierhaftes Gebiss entblößte. Später lernte er diese Mimik zu verstehen, nämlich dass dies die Art des Orks zu lächeln war, aber im Augenblick schloss er die Augen und erwartete sein Schicksal.
    Eine unglaublich große Hand griff nach dem Eimer. Der Ork setzte sich zu Boden und begann, das Essen in sich hineinzuschaufeln. Er schmatzte dabei laut. Als Karem die Augen wieder öffnete, sah er, dass der Ork sich über und über mit Essensresten beschmutzt hatte.
    Er ging zum Grubenrand, holte einen Eimer und füllte ihn mit dem Wasser der Pumpe. Unter der Last schwankend, kehrte er in die Grube zurück. Der Ork schien sein Mahl beendet zu haben, denn der leere Eimer lag weggeschleudert auf der anderen Seite, hinter dem senkrechten Mast, der über die ganze Holzkonstruktion ragte.
    Karem reichte dem Ork den Eimer. So wie das Wesen trank, musste es halb verdurstet sein.
    »Mehr!«, forderte das Wesen und warf ihm den Eimer vor die Füße. Karem hob ihn auf, füllte ihn erneut und brachte ihn zurück. Wieder wurde der Eimer leer getrunken.
    »Wie geht es deinen Wunden?«, fragte der Junge vorsichtig.
    Der Ork glotzte ihn verständnislos an, aber schließlich schien er den Sinn der Frage zu begreifen.
    »Schmerzen!«, war die einsilbige Antwort.
    »Lass mich mal sehen.«
    Geduldig wandte ihm das Wesen den breiten Rücken zu. Die Wunden hatten sich geschlossen, aber Karem entdeckte mehrere geflügelte Windzecken, die sich in das verletzte Fleisch gebohrt hatten. Die meisten von ihnen hatten sich voll Blut gesaugt, so dass sich ihre normale Größe von einem Daumennagel auf den Umfang einer Kinderfaust gedehnt hatte. Karem wusste nicht, ob Orks Infektionen erleiden konnten, aber sein Vater hatte ihn stets vor diesen heimtückischen Krankheitsüberträgern gewarnt.
    »Die Wunden heilen, aber du hast Windzecken. Soll ich sie entfernen?«
    Der Ork nickte. Karem wusste nicht, ob er verstanden worden war. Sei es drum, er war jetzt für das Wesen

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