Das Flüstern des Windes (German Edition)
römischen Bürgers zusichern aus meinen Händen, und dankt den Göttern für diesen Tag.«
Der Imperator gab die Pergamentrolle wieder an seinen Schreibsklaven, der Karem die Urkunde zusammen mit dem Ring überreichte. Der Gladiator und der Ork verbeugten sich, während das Volk jubelte und ihnen Glückwünsche zurief. Als Karem wieder aufblickte, war der Kaiser gegangen.
Die Leichen ihrer getöteten Kameraden lagen mit schmerzverzerrten Gesichtern im Sand. Karem und Crom gingen zu jedem Einzelnen von ihnen. Sie schlossen Masak, Kulan und Threm die Augenlider und beteten in Gedanken für sie.
Sklaven mit Bahren für die Toten erschienen neben ihnen, aber Karem schob sie beiseite. Er hob den verunstalteten Threm auf und trug ihn aus der Arena. Crom nahm die beiden anderen Brüder. Sie verließen das Coloseum mit erhobenen Häuptern, aber in Karems Augen blitzten Tränen, während die klatschende Menge ihren Weg mit Blumen bestreute.
11.
Karem sprang von der Liege auf, als Pinius seine Unterkunft betrat. Schweiß lief trotz der Abendkühle seinen Nacken hinunter und sein linkes Augenlid zuckte nervös.
Zwei Wochen waren seit ihrem großen Sieg in der Arena vergangen. Zwei Wochen lang hatte er seinen Ausbilder angefleht, zu Tiveritus, Pinius ehemaligem Kampfgefährten und jetzigem Freudenhausbesitzer, zu gehen und nach dem Kaufpreis für Lelina zu fragen. Pinius hatte ihm gut zugeredet, gebeten, die Sache zu vergessen, schließlich hatte er seinen Schüler sogar angebrüllt, aber Karem hatte nicht lockergelassen. Mochte ihn Pinius auch noch so oft wegschicken, er kam immer wieder und stellte die gleiche Frage.
Als Karem nun in die grauen Augen seines Ausbilders sah, wusste er schon, dass dieser keine guten Nachrichten mitbrachte.
»Wie viel?«, fragte er leise.
Pinius seufzte. »Tiveritus verlangt einhundert Goldsesterzen!«
Karem, der als Sohn eines Händlers, den Wert der römischen Goldmünzen kannte, fluchte gotteslästerlich. Einhundert Goldsesterzen waren ein unverschämt hoher Preis.
»Mein Freund sagt, sie sei ihr Gewicht in Gold wert. Alle Männer Roms, die es sich leisten können, verlangen nach Lelina«, erklärte Pinius.
»Wie komme ich an so viel Geld?«, grübelte Karem.
Pinius holte entsetzt Luft. »Du denkst immer noch nicht daran, aufzugeben?«
»Niemals!«, antwortete der junge Mann bestimmt.
»Hör mir zu, Karem!« Pinius setzte sich auf Karems Liege und zog ihn zu sich herunter. »Du bist für mich wie ein Sohn geworden und ich möchte dir einen Vorschlag machen. Halt! Bitte, lass mich ausreden!«, wehrte er Karems Versuch ab, seinen Redefluss zu unterbrechen. »Bleib bei mir! Werde Hilfsausbilder! In ein paar Jahren, wenn ich genug Geld gespart habe, gehe ich zurück in meine Heimat, dann kannst du die Leitung der Gladiatorenschule übernehmen.«
»Was ist mit Hamib?«
»Hamib ist ein guter Mann, aber er wäre nie fähig, diese Aufgabe zu erfüllen.«
»Und du glaubst, der Imperator wäre mit deiner Wahl einverstanden?«
»Der Kaiser wird annehmen, was ich vorschlage. Bitte, du musst mir nicht sofort antworten, aber überleg dir meinen Vorschlag! Du hättest ein Heim und ein bescheidenes Auskommen.«
Karem lachte bitter auf. Als er sah, dass diese Reaktion Pinius kränkte, legte er ihm die Hand auf die Schulter. »Danke, Pinius! Danke für alles! Dein Vorschlag ehrt mich, aber ich habe für den Rest meines Lebens genug Tod und Blut gesehen. Ich könnte es nicht ertragen, junge Männer wie Masak, Kulan, Hersan, Rao oder Threm in den Tod zu schicken.«
»Denkst du, mir wäre es leicht gefallen?«
»Nein, Pinius! So gut kenne ich dich inzwischen.«
»Du willst also Lelina?«
Karem nickte stumm.
»Dann gibt es nur eine Möglichkeit für dich.«
»Was muss ich tun?«
In Pinius grauen Augen lag eine tiefe Traurigkeit, als er antwortete. »Du musst zurück in die Arena!«
Fünf Stunden lang war Karem wie ein unruhiges Tier über den Hof gewandert. Tief in seinem Inneren wusste er, dass er sich der Tatsache stellen musste, dass es nur in der Arena für ihn die Möglichkeit gab, so viel Geld zu verdienen.
Karem hatte immer gedacht, nur Sklaven und Gefangene würden zu Gladiatoren ausgebildet, dass es auch freie Bürger gab, die diesen Weg wählten, war ihm neu. Pinius hatte ihm versichert, dass das gar nicht so ungewöhnlich sei. In Rom gab es genügend Sklaven und Gefangene für die Arena, aber in den größeren und mittleren Städten des Reiches herrschte
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