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Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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Männern gelebt, die so waren wie er, die ihn auch ohne Worte verstanden hatten.
    Masaks fröhliches Lachen klang noch heute in seinen Ohren. Er sah Threms ruhiges Wesen vor sich und seine Art, jemanden anzublicken. Kulan, groß und stark, übte vor seinem geistigen Auge mit dem Schwert. Er erinnerte sich an Hersan, den Schafhirten, der ebenso wie Rao ein unwürdiges Ende in der Arena gefunden hatte.
    Sie alle waren tot und würden nie wiederkehren. Dieser Ort war nicht mehr der gleiche wie noch vor wenigen Wochen. Eine seltsame, nichtgreifbare Traurigkeit umgab ihn, die auch durch das Lachen der neuen Rekruten nicht verdrängt werden konnte.
    Aus dem Haupthaus kam Pinius auf Karem und Crom zu. Er zog eine kleine, vierrädrige Holzkarre hinter sich her. Als Karem neugierig näher trat, erkannte er, dass seine Ausrüstung und die des Orks auf den Wagen geladen waren.
    Pinius lächelte verlegen. Seine Hand deutete schüchtern auf den Karren.
    »Ich kann euch doch nicht unbewaffnet losziehen lassen.«
    »Aber ich dachte, die Ausrüstung gehört dem Kaiser?«
    Der Ausbilder grinste verschmitzt. »Es kann schon mal vorkommen, dass Waffen stumpf und unbrauchbar werden. Und auch eine Lederrüstung kann durch falsche Behandlung brüchig werden.« Er nahm Karems Schwert aus dem Wagen. Die Klinge glänzte makellos. »Dieses Schwert zum Beispiel hat gestern ein Rekrut dummerweise mit voller Wucht gegen ein Eisenschild geschlagen. Jetzt ist es schartig und für den Kampf unbrauchbar.«
    Crom brummte irgendetwas Unverständliches. Pinius hob mit einiger Mühe die riesige Axt des Orks heraus. »Von dieser Axt ganz zu schweigen!«, ächzte er. »Das dumme Tier, dem es gehörte, hat versäumt, es zu pflegen. Nun ist es vollkommen rostig.«
    Crom nahm ihm die Axt aus der Hand. Sein breites Gesicht spiegelte sich im Axtblatt. »Diese Waffe zerstört. Crom nimmt sie mit. Vielleicht ein Händler gibt ein paar Kupferstücke dafür.«
    »Ja, nimm sie mit!«, lachte Pinius. »Ich kann sie leider nicht mehr gebrauchen. Ihr wisst ja, dieses dumme Tier ...«
    Karem wusste nicht, was er zur Großzügigkeit seines Ausbilders sagen sollte. Schweigend legten er und der Ork ihre Ausrüstung an und befestigten die Waffen.
    Schließlich trat Karem vor Pinius. In seinen Augen schwammen Tränen, als er den fast kahlköpfigen Mann an sich drückte.
    »Danke!«, flüsterte er.
    Pinius machte sich sichtlich verlegen frei. »Hier ist der Geleitbrief an die anderen Leiter der Gladiatorenschulen. Den Wegplan hast du ja. Vergiss nicht, den Ring des Kaisers über den Finger zu streifen und trag immer die Urkunde bei dir, die versichert, dass du und Crom freie Menschen sind. Und nun geh!«
    Crom kam auf ihn zu und drückte ihn gegen seine breite Brust.
    »Bei den Göttern, ich dachte, du willst mich umbringen!«, schnaufte Pinius, als ihn der Ork wieder freigab.
    Karem und Crom wandten sich um. Es gab nichts mehr zu sagen. Mit großen Schritten gingen sie auf das Tor zu, das sie in eine unbekannte Zukunft führte.
    Pinius stand noch lange auf dem Hof und starrte ins Leere. Als es zu regnen begann, ging er mit hängendem Kopf zurück ins Haus.
     
     

12.
     
    Der Lärm der Vorkämpfe drang in den Aufenthaltsraum unterhalb der Tribüne. Draußen regnete es in Strömen. Trotzdem waren die Massen gekommen, um Karem und den Ork kämpfen zu sehen.
    Seit sechs Monaten zogen sie nun von Arena zu Arena. Obwohl die Landschaft abwechslungsreich war, konnte sich Karem nur mühselig an die Namen der Städte erinnern, in denen sie gekämpft und gesiegt hatten.
    Rasurium, Gales, Howet, Kapalunium, Trawes, Gaius Sinus. So viele Namen und alle in Blut geschrieben.
    Ihr Ruhm als furchtlose Kämpfer eilte ihnen inzwischen voraus, und in jeder neuen Stadt drängten die Menschen ins Stadion, jubelten ihnen zu und grölten ihre Namen.
    Über ein Dutzend Kämpfe hatten er und Crom hinter sich. Sie hatten Gegner in Stücke geschlagen, und dabei war Karems Mitleid irgendwo auf der Strecke geblieben. Die Männer, die gegen sie antraten, waren keine Sklaven, die man in die Arena gezwungen hatte. Nein, diese Männer gewährten kein Mitleid und sie erwarteten auch keines. Ihre grausamen Augen gierten nach seinem Blut, seinem Ruhm, seinem Tod.
    Karem hatte aufgehört zu lächeln. Er sprach nur noch selten und wenn doch, dann nur mit Crom. Den angebotenen Freundschaften anderer Kämpfer erteilte er Absagen, da er nie wusste, wann man sich vielleicht in der Arena gegenüberstehen würde.

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