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Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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der königlichen Familie zeigte. Obwohl durch die großen, bleigefassten Fenster genug Tageslicht einfiel, brannten Fackeln in metallenen Halterungen.
    Am Ende des Raumes stand der Thron des Herrschers, der aus dem Stamm einer alten Schwarzeiche geschnitzt war. König Canai saß darauf und blickte seiner Nichte und dem fremden, jungen Mann neugierig entgegen. Er trug den roten, bestickten Mantel, den die Könige Denans schon seit Generationen umlegten, über einer funkelnden, goldenen Rüstung. Langes, an den Schläfen ergrautes Haar fiel auf seine Schultern herab und unterstrich die markanten Gesichtszüge. Obwohl der König schon weit über fünfzig Jahre alt war, wirkte er aufgrund seiner schlanken Gestalt noch immer jugendlich.
    Neben ihm stand sein Berater Heidar, ein mittelgroßer Mann mit einem leichten Hang zur Fettleibigkeit, dem man aber die muskulöse Statur des Kriegers noch immer ansah. Auch seine Haare waren lang, aber im Nacken zu einem Pferdeschwanz gerafft.
    Außer den beiden Männern befand sich nur die persönliche Leibgarde des Königs im Raum, die schwer bewaffnet, mit ausdruckslosen Mienen, hinter dem Thron Aufstellung genommen hatte.
    Sara trat vor, beugte das Knie zu einem höfischen Knicks. Karem, der nicht wusste, wie er sich verhalten sollte, verneigte sich. Canais kalte Augen musterten ihn ohne jede Regung.
    »Ich grüße dich, Onkel«, sagte Sara.
    »Wo bist du gewesen? Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Du hättest schon gestern hier eintreffen müssen. Wo ist Lurd, dein Diener?«
    »Er wurde von Räubern getötet. Wir wurden überfallen.« Ihre Hand deutete auf Karem. »Dieser Mann rettete mich, bevor man mir Gewalt antun konnte. Sein Name ist Karem.«
    Der König wandte sich an ihn. »Dann ist dir das Reich zu großem Dank verpflichtet. Du wirst eine angemessene Belohnung für diese edle Tat erhalten.«
    »Es bedarf keiner Belohnung, Herr. Das Leben und die Unversehrtheit Eurer Nichte ist Belohnung genug.«
    »Weise gesprochen.«
    Sara erhob sich. Ihr Gesicht glühte vor Aufregung.
    »Onkel, bitte sieh dir seine rechte Hand an. Karem zeig ihm deine Hand.«
    Karem ging einen Schritt auf den König vor. Augenblicklich reagierten die Gardesoldaten und zogen ihre Waffen blank. Eine Handbewegung Canais beruhigte sie.
    Karem streckte den rechten Arm aus, so dass der König seine Hand betrachten konnte, die er anschließend zu einer Faust ballte. Der Zeigefinger blieb unbeweglich.
    »Und?«, fragte der König.
    Sara trat neben Karem. »Siehst du es denn nicht, Onkel? Er hat den gleichen Geburtsfehler, wie du und mein Vater ihn haben. Sein Zeigefinger besteht nur aus einem Knochenstück. Es ist der körperliche Makel unserer Familie.«
    »Was willst du damit sagen, Sara?«
    Sie holte tief Luft, bevor sie antwortete. »Er könnte Larin, mein Bruder sein, der vor über zwanzig Jahren entführt wurde.«
    Karems und des Königs Kopf ruckten herum. Beide starrten sie verblüfft an.
    Schließlich war es der König, der das Wort ergriff. »Sara, ein steifer, rechter Zeigefinger bedeutet noch lange nicht, dass es sich bei diesem jungen Mann um deinen vor langer Zeit entführten und getöteten Bruder handelt.«
    »Aber Onkel ...«, versuchte Sara einzuwenden.
    »Hör mir gut zu, Kind. Dein Bruder, meine Neffe, ist tot! So traurig diese Wahrheit für uns ist, müssen wir sie doch akzeptieren.«
    »Sein Zeigefinger ...«
    »Ich gebe zu, das ist ein merkwürdiger Zufall, und dein Retter hat sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit deinem Vater, aber in diesem Reich gibt es viele Männer seines Alters mit braunen Haaren, und dass sich jemand darunter befindet, der über einen nicht beweglichen Finger verfügt, ist nicht so ungewöhnlich. Wer weiß, vielleicht ist dieser Makel ja auch auf eine ferne Verwandtschaft zurückzuführen. Wer waren deine Eltern?«, wandte sich Canai an Karem.
    »Händler ohne feste Heimat.«
    »Du siehst also, selbst dieser junge Mann, glaubt deine Phantastereien nicht. Ich habe seine Reaktion beobachtet. Er wirkte sehr überrascht!«
    »Das war ich, Herr«, pflichtete Karem bei. »Ich wusste nichts von ihren Vermutungen.«
    »Dich trifft keine Schuld! Im Gegenteil, du hast dich sehr verdient gemacht.«
    »Aber es könnte doch sein!«, ließ Sara nicht locker.
    Zum ersten Mal wirkte der König zornig. »Nein, es kann nicht sein. Neben mir steht Heidar. Er selbst tötete den Mörder deines Vaters und deines Bruders. Bevor er starb, gestand der Verräter Korek seine Schandtat.«
    »Das

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