Das Flüstern des Windes (German Edition)
gemeinsamen Anführer gewählt hatten, sorgte dafür, dass es bei Drohgebärden blieb.
Von den Wachen geführt, erreichten die Orks den Platz der fünf Könige, wo ein großes Areal freigemacht worden war und nun riesige Zelte standen, die den Verbündeten als Unterkunft dienen sollten.
Die Soldaten sperrten den Platz ab. Ihre Waffen richteten sich drohend auf die Menschenmenge, die der Prozession durch die Straßen gefolgt war.
Fürst Ronder selbst begrüßte die Orkstämme und überreichte Bark eine kunstvoll geschmiedete Axt, deren Holzstiel durch einen für Orkhände geeigneten Stiel aus Metall ersetzt worden war.
Bark verbeugte sich tief. Karem übersetzte die Worte des Dankes. Auf eine Handbewegung des Orkführers wurde Ronder das gegerbte Fell eines Waldlöwen zu Füßen gelegt. Der Fürst starrte verblüfft zu Boden. Das Fell eines dieser sehr seltenen Tiere war sein Gewicht in Gold wert. So ein kostbares Geschenk von einem Ork zu erhalten, verunsicherte ihn.
Karem bemerkte seine Verlegenheit. »Der Fürst ist von deiner Großzügigkeit beeindruckt«, sagte er lächelnd zu Bark.
Bark entblößte die Oberlippe zu einem Grinsen. »Er wird noch mehr beeindruckt sein, wenn er uns in der Schlacht erlebt.«
In den ersten Tagen nach der Ankunft der Orks lag eine sonderbare Anspannung über der Stadt, die nicht mit den Vorbereitungen auf die kommende Schlacht gegen Canai zu erklären war. Gerade, als es so aussah, als würden sich die Dinge beruhigen, kam es zu Ausschreitungen.
Ein junger Ork hatte eine Frau überfallen, sie getötet und ihren schwangeren Leib zerfetzt. Ronder wusste, dass er sofort etwas unternehmen musste oder die Geschehnisse würden in einem Inferno der Gewalt enden. Eine große Menschenmenge hatte sich am Platz der fünf Könige eingefunden und bedrohte die eingekesselten Orks. Die Stadtwache war kaum noch Herr der Lage, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Soldaten überrannt wurden und die Menschen Rache an den Orks nehmen würden.
Fürst Ronder, von Karem begleitet, betrat das große Zelt, in dem Bark mit den anderen Anführern der Stämme lebte. Ein bestialischer Gestank prallte ihm entgegen und er hatte Mühe, sich nicht zu übergeben. Mit eiserner Miene trat er vor die Orks, die auf dem Boden hockten.
Barks kluge Augen blickten ihn aufmerksam an.
»Du weißt von der Tat eines deiner Untergebenen?«, ließ Ronder durch Karem fragen.
Bark nickte langsam.
»Gib uns den Schuldigen, damit wir ihn bestrafen können!«, verlangte der König. Als Karem die Worte übersetzte, sprangen mehrere Orks knurrend auf. Bark brüllte sie an, und die Wütenden fügten sich.
»Wir können dir Saak nicht geben. Die Stämme würden niemals zulassen, dass Menschen über einen Ork richten.«
Zum ersten Mal zeigte Ronder seine wahren Gefühle. »Ihr gebt ihn uns oder wir werden ihn uns selbst holen!«, schrie er Bark an. »Es war einer deiner Krieger, der das Bündnis verletzt hat und er wird bestraft werden, das schwöre ich bei den Göttern!«
Bark blieb ungerührt sitzen. »Er wird seine Strafe durch den Rat der Stammesführer erhalten.«
»Sorge dafür, dass mein Volk von dieser Strafe erfährt oder alles wird in einem Blutbad enden!«
Ronder wandte sich mit wehendem Mantel um. Als er das Zelt verließ, folgte ihm das drohende Gebrüll der Orks.
Am nächsten Morgen fand die Stadtwache an der Stelle, an der die Frau getötet worden war, die verstümmelte Leiche eines jungen Orks. Man hatte dem Toten Hände und Füße abgeschlagen und die riesigen Hauer aus dem Mund gerissen, damit sie den Menschen nicht als Trophäen dienen konnten. Für einen weiteren Tag herrschte Ruhe, dann eskalierten die Ereignisse.
11.
Fürst Ronder beugte sich weit über die aufgeschlagene Landkarte, die Melwar und seine nähere Umgebung zeigte. Sein Finger stieß herab und deutete auf einen Punkt.
»Hier!«, sagte er mit vor Erregung heiserer Stimme. »Genau hier werden wir sie angreifen!«
Die Generäle, Karem und Graf Kerr blickten den Herrscher verwundert an. Ronder hatte sie mit seiner Entscheidung, selbst die Initiative zu ergreifen und nicht abzuwarten, was Canai tun würde, vollkommen überrascht.
»Herr, verzeiht mir!«, warf General Avetar ein. Seine Hand fuhr zerstreut durch sein silbergraues Haar, das nur noch an wenigen Stellen das Schwarz der Jugend zeigte. »Wenn wir Canai angreifen, hat das zwei Nachteile; unsere zahlenmäßige Unterlegenheit wird in einer offenen
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