Das Flüstern des Windes (German Edition)
gepackt und dessen Brustkasten beinahe eingedrückt. Keuchend, aber lachend hatte sich Karem von ihm gelöst. In seinen Augen hatten Tränen gestanden, als ihm der vertraute Geruch seines Freundes in die Nase gestiegen war.
Nun saß Karem mit den Ältesten zusammen. Er hatte seine Bitte auf Unterstützung im Kampf gegen Canai vorgebracht und wartete auf die Reaktion der Orks. Der Stammesführer, ein Ork, dessen Haupthaar und ein Großteil der Rückenbehaarung das Silber des Alters angenommen hatte, hockte ihm mit untergeschlagenen Beinen gegenüber. Der Ork trug eine Kette aus menschlichen Schädeln um den Hals, mit denen seine breiten Finger nachdenklich spielten. Die roten Augen musterten Karem, versuchten, in den unvertrauten Gesichtszügen die Wahrheit der gesprochenen Worte zu lesen.
»Warum sollten wir dir helfen? Orks und Menschen sind Todfeinde, seitdem die Götter diese Welt verlassen haben.« Seine Pranke schloss sich um die grauenhaften Jagdtrophäen am Hals. »Ich selbst habe viele deiner Art erschlagen.«
Karem ging auf diese Aussage nicht ein. Er wusste, dass der Alte nur seinen Mut und seine Aufrichtigkeit prüfte.
»Erlaubst du, dass ich die Wahrheit sage?«, fragte er stattdessen.
Der Ork nickte.
Karems Hand umschloss in einer Bewegung das Lager. »Ihr lebt hart in den Bergen. Ich weiß von Crom, dass es schwer für euch ist, genug Nahrung zu finden, um all die Hungrigen satt zu bekommen.« Der junge Mann hob den Kopf in den Nachtwind. »Der Winter ist nicht mehr fern. Man kann schon jetzt den Schnee riechen. Es wird ein harter Winter werden. Viele Orks werden sterben, wenn die Tiere in das Tal ziehen, wohin ihr dem Wild nicht folgen könnt.«
Mehrere Orks knurrten ärgerlich, aber Karem ließ sich nicht beirren, sondern sprach ruhig weiter: »Helft mir bei der bevorstehenden Schlacht, und wenn ich König von Denan bin, werde ich Frieden zwischen deinem und meinem Volk schließen. Ihr könnt unbehelligt in die Ebene zurückkehren, und ihr habt Zutritt zu allen Städten des Reiches, könnt Handel treiben und Nahrungsmittel eintauschen. Der Krieg zwischen Menschen und Orks wird zu Ende sein.«
»Das sind Worte!«, entgegnete Bark, der Anführer und spie ins Feuer. »Die Menschen sind böse, sie werden sich nicht an die Worte eines Mannes halten. Du sagst, wir können in die Städte gehen und ich sage, man wird die Orks erschlagen, die es versuchen, bevor sie durch das große Tor treten.«
»Du hast recht. Es ist ein Wagnis, aber was hat dein Volk zu verlieren? Hier oben in den Bergen wird euer Sterben lange dauern, aber das Ende für dich und deinesgleichen kommt unausweichlich.« Karems Augen hielten Barks zornigem Blick stand. »Falls ich siege, werde ich mich an meine Freunde erinnern.« Der Rest blieb eine unausgesprochene Drohung, aber Bark verstand ihn auch ohne Worte. Karem würde sich auch derer erinnern, die ihn im Stich gelassen hatten.
»Verlasse nun das Feuer!«, befahl Bark. »Die Ältesten müssen sich beraten.«
Karem erhob sich und schritt zu einer Stelle abseits des Feuers. Crom wollte ihm folgen, aber der Anführer hielt ihn zurück.
»Du bleibst und hörst die Worte der Ältesten!«
Mehrere Orks begannen gleichzeitig, in ihrer kehligen Sprache zu sprechen, aber Bark unterbrach sie wütend.
»Einer spricht, der Rest schweigt.«
Guur schlug sich mit der geballten Faust gegen die mächtige Brust. Er war einer der jüngeren Anführer im Rat. Den letzten Winter hatten nur wenige der älteren Mitglieder des Stammes überlebt, und so war Guur, obwohl er noch kein Silberhaar hatte, in den Rat gerufen worden.
»Ich sage, wir töten diesen Menschen! Er beleidigt uns mit seinen Worten.«
»Worte, die die Wahrheit sagen, schmerzen oft«, entgegnete Bark. »Ihn zu töten ist einfach, aber was tun wir dann. Er ist ein Führer in seinem Volk, die Menschen werden nach Rache sinnen.«
»Wir töten ihn und schicken seinen Kopf an den Mann, den sie Canai nennen. Er ist der König der Menschen. Vielleicht stimmt ihn so eine Tat milde gegen die Orks.«
Mehrere Mitglieder des Rates brummten zustimmend.
Bark schwieg lange, bevor er sprach.
»Ich bin der Älteste unter uns, also hört mir zu.« Seine kraftvolle Stimme zog sie in einen geheimnisvollen Bann. »Wir Orks sind große Kämpfer, die Götter haben uns an einem leuchtenden Tag erschaffen, aber wir sind nur noch wenige. Vor vielen Jahren, ich war damals noch ein junger Krieger, sammelte der große Ork-Herrscher Gruman die
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