Das Foucaultsche Pendel
gestürzt, unten packt ihn Luciano und schwingt seine Klinge, ein rascher Schnitt durch die Kehle, und das Sprudeln des Blutes vermischt sich mit dem Blubbern der chthonischen Flüssigkeit.
Jemand klopft an die Tür. Bist dus, Disraeli?
Yes, antwortet der Unbekannte, in dem meine Leser sogleich den Großmeister der englischen Gruppe erkannt haben werden, der den Gipfel der Macht erreicht hat, aber noch immer nicht zufrieden ist. Er spricht: My lord, it is useless to deny, because it is impossible to conceal, that a great part of Europe is covered with a network of these secret societies, just as the superficies of the earth is now beeing covered with railroads...
Das hast du bereits im Unterhaus gesagt am 14. Juli 1856, mir entgeht nichts. Komm zur Sache!
Der baconische Jude flucht leise zwischen den Zähnen. Dann fährt er fort: Es sind zu viele. Die sechsunddreißig Unsichtbaren sind nun dreihundertsechzig. Multipliziert mit zwei, macht siebenhundertzwanzig. Ziehe die hundertzwanzig Jahre ab, nach denen 598
die Tone sich öffnen werden, und du hast sechshundert, wie beim Angriff der Leichten Brigade auf der Ebene von Balaklawa.
Teufel von einem Menschen, die Geheimwissenschaft der Zahlen hat keine Geheimnisse für ihn.
Und weiter?
Wir haben das Gold, du hast die Karte. Tun wir uns zusammen, und wir sind unschlagbar.
Mit feierlicher Gebärde deute ich auf den phantasmatischen Schrein, den er, geblendet von seiner Gier, im Dunkeln zu erspä-
hen meint. Er setzt sich in Bewegung, fällt. Ich höre das düstere Aufblitzen von Lucianos Klinge, ich sehe trotz der Finsternis das Röcheln, das in den brechenden Augen des Engländers schim-mert. Gerechtigkeit ist getan.
Ich erwarte den dritten, den Mann der französischen Rosenkreuzer, Montfaucon de Villars bereit, schon weiß ichs, die Geheimnisse seiner Sekte zu verraten.
Gestatten, Graf Gabalis, stellt er sich vor, verlogen und eitel.
Ich brauche nur wenige Worte zu raunen, und schon geht er seinem Schicksal entgegen. Er fällt, und blutgierig verrichtet Luciano sein Henkerswerk.
Du lächelst mir zu aus dem Dunkel und sagst du seiest mein und dein werde mein Geheimnis sein. Du irrst dich, du irrst dich, sinistre Karikatur der Schechinah. Jawohl, ich bin dein Simon, doch warte, noch weißt du das Beste nicht. Und wenn dus erfahren hast, wirst du aufgehört haben, zu wissen.
Was weiter? Nacheinander kommen die anderen.
Die deutschen Illuminaten werde, hatte mir Pater Bresciani gesagt, die schöne Babette von Interlaken vertreten, die Urenkelin von Weishaupt, die hehre Jungfrau des helvetischen Kommunismus, aufgewachsen unter Säufern, Räubern und Mördern, Expertin im Durchdringen undurchdringlicher Geheimnisse, im Öffnen versiegelter Briefe, ohne das Siegel zu öffnen, im Verabreichen giftiger Tränke, wies ihre Sekte befahl.
Eintritt nun also die junge Göttin des Bösen, der Agathodaimon des Verbrechens, in einen makellos weißen Eisbärenpelz gehüllt, das lange Blondhaar wallend unter dem kecken Kaipak, hochmütigen Blickes und mit sarkastischer Miene. Und mit der üblichen List schicke ich sie in ihr Verderben.
Ah, Ironie der Sprache dieser Gabe, die uns die Natur gege-599
ben hat, um uns zu erlauben, über die Geheimnisse unserer Seele zu schweigen: Die Erleuchtete fällt dem Dunkel zum Opfer. Ich höre sie gräßliche Flüche ausstoßen, die Reulose, während ihr Luciano das Messer ins Herz stößt und es dreimal darin umdreht.
Déjà vu, déjà lu...
Der nächste ist Nilus, der für einen Moment geglaubt hatte, sowohl die Zarin als auch die Karte zu haben. Schmieriger Lust-mönch, du wolltest den Antichrist? Wohlan, da vorne im Dunkeln findest du ihn, doch weißt dus noch nicht... Und blind schicke ich ihn, unter tausend mystischen Schmeicheleien, in den infamen Hinterhalt, der ihn erwartet. Luciano zerfetzt ihm die Brust mit zwei Schnitten in Kreuzesform, und der Elende sinkt in den ewigen Schlaf.
Ich muß das uralte Mißtrauen des letzten überwinden, des Weisen von Zion, der sich für Ahasver hält, für den Ewigen Juden, unsterblich wie ich. Er traut mir nicht, während er salbungsvoll lächelt, der Bart noch feucht vom Blute der zarten Christenkinder, die er auf dem Prager Friedhof zu zerfleischen pflegt. Er kennt mich als Ratschkowski, ich muß ihn an Gerissenheit übertrump-fen. So gebe ich ihm zu verstehen, daß der Schrein nicht nur die Karte enthalte, sondern auch rohe, noch ungeschliffene
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