Das Frankenstein-Projekt (German Edition)
den sie so schnell wie möglich erreichen müssten. Adrian fragte sich, was das wohl für ein Ding sein mochte. Ein gewöhnlicher Fahrstuhl sicher nicht. Was sollten sie auch damit? Zur Hölle fahren? Doch er traute sich nicht, zu fragen. Er würde es noch früh genug erfahren.
Doch bis dahin kamen sie gar nicht. Sie hatten gerade den Marktplatz überquert und gingen am Kriminalmuseum vorüber, vor dem ein alter Pferdekarren mit einem Käfigaufbau stand, als unvermittelt eine massige schwarze Gestalt vor ihnen aus den Schatten trat. Den Bruchteil einer Sekunde, bevor der Schuss krachte, bemerkte Adrian die Pistole in der Hand des Mannes, und stieß einen Schrei aus!
Agent Purdy wurde in den Bauch getroffen und durch die Wucht des Geschosses fast drei Meter weit zurückgeschleudert.
Auch Isabella fing an zu schreien. Lauter und lauter. Sie hörte gar nicht wieder auf. Erst als Talbot sich schützend über sie warf und sie zu Boden riss, verstummte sie. Dann packte er Adrian und Isabella am Kragen und schleuderte sie mehr unter den alten Pferdekarren, als dass er sie schubste.
»Rührt euch nicht von der Stelle«, befahl er. »Ihr braucht keine Angst zu haben. Agent Miller passt auf euch auf.« Talbot warf Millycent einen kurzen Blick zu, den sie mit einem Nicken erwiderte. Dann sprang er auf und lief hinter dem Schützen her. Der war zum Kriminalmuseum geflüchtet. Talbot fand eine Tür, die nur angelehnt war. Hier hinein musste er verschwunden sein, einen anderen Weg gab es nicht. Immer drei Stufen auf einmal nehmend, rannte Talbot die Treppen hinauf. Im Museum war es stockdunkel. Das wenige Licht, das durch die kleinen Fenster fiel, reichte nicht mal aus, das Treppenhaus hinreichend zu erhellen. Als er den zweiten Stock erreichte, hörte er Fußgetrappel und sah eine massive Holztür vor sich zufallen. Hier musste der Kerl hineingelaufen sein! Er trat ganz nahe an die Tür heran und zog sie ein Stückchen auf – weit genug, um hineinspähen zu können.
Vor ihm erstreckte sich ein lang gezogener Ausstellungsraum mit mannshohen Vitrinen. Wenigstens ließen die hohen Fenster genügend Mondlicht herein, um halbwegs sehen zu können. So leise wie möglich schlüpfte Talbot hinein. Mit dem Rücken an der Wand bewegte er sich durch den Saal, bis er an eine Vitrine mit Schandmasken und einem alten deutschen Richtschwert kam. Er wollte eben um die Vitrine herumgehen, als ein Schuss die Stille zerriss. Das Glas der Vitrine zerbarst und regnete wie Eissplitter auf ihn herab. Ein zweiter Schuss traf das Richtschwert, das aus seiner Halterung kippte und scheppernd neben ihm auf den Boden fiel. Fast instinktiv hob er es auf. Besser ein Schwert als gar keine Waffe, dachte er bei sich. Er blieb am Boden hocken, das Schwert in beiden Händen, und sah sich um. Die Vitrine war völlig zerstört.
Der Schuss konnte von überall her gekommen sein.
Obwohl ihm herkömmliche Kugeln beileibe nicht so viel ausmachten wie einem gewöhnlichen Menschen, konnten sie ihn dennoch für Stunden außer Gefecht setzen. Nur Silber war in der Lage ihn tödlich zu verwunden – eines der wenigen positiven Dinge, die der Fluch, ein Werwolf zu sein, mit sich brachte.
Talbot griff hinter sich und bekam eine der Schandmasken zu fassen. Es gab nur eine Möglichkeit, festzustellen, wo sich der Schütze befand: Er musste ihm eine Angriffsfläche bieten. Kurz entschlossen steckte er die Schandmaske auf die Spitze des Schwertes und hob sie hoch. Kaum war die Maske am seitlichen Rand der Vitrine erschienen, traf sie auch schon ein Schuss. Das schwere Eisending flog davon und krachte gegen die Wand. Nun wusste Talbot wenigstens, aus welcher Richtung geschossen wurde. Und dem Klang nach zu urteilen, handelte es sich bei der Waffe um eine halb automatische Pistole. Purdy konnte recht haben – wahrscheinlich eine Heckler & Koch, Walther oder Glock. Rechnete man den Schuss draußen mit, hatte er bis jetzt vier verbraucht. Blieben ihm je nach Magazin noch 13, 15 oder 29 Schuss. Nichts Genaues, aber immerhin Eckdaten, mit denen sich halbwegs arbeiten ließ. Talbot hielt die Glock für die wahrscheinlichste der drei Waffen – sie war die am weitesten verbreitete Handfeuerwaffe. Und die, an die man am günstigsten und leichtesten herankam.
Ein weiterer Schuss krachte und schlug irgendwo hinter ihm ein. Talbot gab seine Deckung auf, überbrückte die Distanz zwischen sich und der nächsten Reihe von Ausstellungsvitrinen, indem er mit dem Richtschwert in
Weitere Kostenlose Bücher