Das Frauenkomplott
Leder mit Stahlgestell, ein alter Corbusier-Klassiker, mit passender Chaiselongue, ausgerichtet auf einen überdimensionierten Flachbildschirm auf grauem Grund. Um einen großen eckigen Tisch mit einer schwarzen Chinalackplatte standen sechs Philippe-Starck-Stühle. Warum saß er nicht auf den Stühlen, mit denen er sein Geld verdient hatte? Die Dekostoffe vor den großen doppelflügligen Fenstern passten zum Grau-Schwarz des Mobiliars, naturfarbenes dünnes Leinengewebe, mit einem eingewebten geometrischen Muster.
Diese Wohnung hatte nicht Friedbert eingerichtet. Das war eine Wohnung ohne Geschichte, von Grund auf neu zusammengekauft, und er hatte sich verlassen auf den Geschmacksberater eines teuren Möbelhauses. Es war alles clean und sauber und nichts störte. Es gab nichts, das sich nicht einpasste in das gerade Einerlei.
Eine große geöffnete Flügeltür führte in das Arbeitszimmer. Wofür brauchte Friedbert das? Auch hier sah man die Tausende von Euros, die Friedbert im Möbelhaus gelassen hatte, das ihm dafür ein geometrisches Regalsystem aus grau lasiertem Vollholz übereignet hatte, mit Glastüren, um der Verstaubung vorzubeugen. Da Friedbert kein Leser war, hatte er in einige Regalabteilungen große Gläser gestellt und kleine afrikanische Holzskulpturen. Die Ordner standen in Kopfhöhe links von einem riesigen Schreibtisch.
Dieser Schreibtisch schien das Pendant zum Tisch im Wohnzimmer, ausladend und sparsam, mit zwei unter der schwarzen schlichten Platte eingelassenen Schubladen. Außer dem Telefon stand nur der Laptop in der Mitte auf einer Unterlage aus rotem Filz, die einzige Farbe im Raum. Abgesehen von einem Plakat vom Wilhelm-Busch-Museum. Wie kam Friedbert nur daran? Da es rotgrundig war und zur Schreibtischunterlage passte, steckte wahrscheinlich der Innenarchitekt dahinter.
Ich stellte den Rucksack auf den Boden und zog die Einmalhandschuhe über. Dadurch kam ich mir gleich noch krimineller vor. Aber ich wollte hier keine Spuren hinterlassen. Die HBCI- und zwei weitere Check-Karten der verschiedenen Konten fand ich unter der rechten Ecke des roten Filzes. Wie Mari daran gekommen war, wollte ich nicht wissen, mir schossen Bilder aus einem Hitchcock durch den Kopf, wo Ingrid Bergmann ihrem bösen Nazigatten den Schlüssel für den Weinkeller abnimmt und zur Strafe dafür, weil sie ohne ihr Wissen auffliegt, langsam vergiftet wird. Und Cary Grant, ihr Liebhaber, denkt, sie tränke, aber die tapfere Frau opfert sich stolz für ihr Land, und wir alle wissen, dass sie gut und unschuldig ist …
Auch den Ordner mit den notwendigen PIN-Nummern fand ich dort, wo Mari ihn mir angegeben hatte, im untersten Regalfach links, ein dünner Hefter mit schwarzem Pappdeckel, der zwischen drei großformatigen Katalogen aus dem Sprengel-Museum Hannover und diversen Kochbüchern von Meuth und Neuner-Duttenhofer stand. Den Ordner legte ich neben den Laptop. Dann nahm ich den A4-Zettel, auf dem ich vor drei Stunden alles andere notiert hatte.
Mari war abgebrüht, ging mir durch den Kopf, als ich den Laptop anmachte. Selbst wo der Knopf zum Anmachen war, hatte sie mir gesagt und darauf bestanden, dass ich es mir aufschreibe. Dabei kann doch jeder Idiot einen Laptop anmachen. Sie war sich aber sicher, dass es an solchen Dingen scheitern kann. Und sie hatte recht. Hätte sie mir den Knopf nicht beschrieben, hätte ich ihn mit Sicherheit nicht gefunden und wäre spätestens an dieser Stelle wieder umgekehrt und hätte die Wohnung fluchtartig verlassen. Vielleicht hätte ich das tun sollen, dachte ich, als der Laptop ohne Mucken hochfuhr, ohne ein Passwort zu verlangen.
Die fünfstellige Code-Nummer für die HBCI-Karten-Transaktionen hatte sie mir sogar vor drei Stunden noch am Telefon genannt. F49x7. Wahrscheinlich hatte sie Friedbert ins Ohr gebissen, während er diese Nummer eingab, um auf das Konto zu kommen und seine Dukaten zu zählen. Aber ich hatte sie das nicht gefragt.
Aber selbst diese Nummer hatte Friedbert notiert. In einem roten Ordner, den er im oberen Regal neben ein paar Grisham-Krimis und einem Fotoalbum stehen hatte. Ich nahm das Fotoalbum mit aus dem Regal und setzte mich damit an den Schreibtisch. Es waren Bilder aus Nomburgshausen, von Ruth und den Kindern. Auf den frühesten Bildern war Tobias ungefähr drei Jahre alt und auf den neuesten Bildern war er 17. Ein Foto war dazugelegt worden. Es war wohl vom letzten Jahr. Auch von Rosa war ein ganz neues Bild dabei, das er vor zwei Monaten
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