Das fremde Gesicht
Erklärungen sucht, die nichts mit Dad zu tun haben?«
fragte Meghan ihre Mutter.
»Nein, und sie haben es auch nicht vor«, sagte Catherine voller Bitterkeit.
Sie gingen wieder ins Eßzimmer, wo sie die Akten studiert hatten. Die Durchsicht der kalifornischen Hotelrechnungen ergab Jahr für Jahr die Zeiten, in denen sich Edwin Collins höchstwahrscheinlich in Scottsdale aufgehalten hatte.
»Aber das ist nicht die Art von Information, hinter der Victor Orsini her sein könnte«, sagte Meg. »Da muß es noch etwas anderes geben.«
Im Büro Collins and Carter unterhielten sich am Donnerstag Jackie, die Sekretärin, und Milly, die Buchhalterin, im Flüsterton über die angespannte Atmosphäre zwischen Phillip Carter und Victor Orsini. Sie waren sich einig, daß der ganze schreckliche Medienrummel wegen Mr.
Collins und die neuerlich
eingereichten Klagen schuld daran waren.
Seit Mr. Collins tot ist, war irgendwie der Wurm drin.
»Oder wenigstens, seit wir dachten, daß er tot ist«, sagte Jackie, »Es ist kaum zu glauben, daß er bei so einer netten, hübschen Frau wie Mrs. Collins all die Jahre nebenbei eine andere gehabt haben soll.«
»Ich mach’ mir solche Sorgen«, fuhr sie dann fort.
»Jeden Pfennig meines Gehalts spare ich fürs College für die Jungs. Dieser Job ist so praktisch. Ich würde ihn schrecklich ungern verlieren.«
Milly war dreiundsechzig und wollte noch zwei Jahre lang arbeiten, bis sie eine bessere Altersversorgung beieinander hatte. »Wenn die Firma den Bach hinuntergeht, wer soll mich dann noch nehmen?« Es war eine rhetorische Frage, die sie neuerdings häufig stellte.
»Einer von den beiden kommt nachts hierher«, flüsterte Jackie. »Du weißt ja, man merkt’s doch, wenn jemand die Akten durchgegangen ist.«
»Wieso sollte einer auf so ’ne Idee kommen? Sie können uns doch nach allem suchen lassen, was sie brauchen«, protestierte Milly. »Dafür werden wir schließlich bezahlt.«
»Das einzige, was ich mir vorstellen kann, ist, daß einer von denen die Kopie des Empfehlungsbriefs über Helene Petrovic an die Manning Clinic sucht«, sagte Jackie. »Ich hab’ wie verrückt gesucht, und ich kann sie einfach nicht finden.«
»Du warst erst ein paar Wochen hier, als du damals den Brief getippt hast. Du hast dich doch erst an das Ablagesystem hier gewöhnen müssen«, erinnerte sie Milly. »Und überhaupt, was spielt das schon für eine Rolle? Die Polizei hat das Original, und darauf kommt es schließlich an.«
»Vielleicht spielt es sogar eine große Rolle«, entgegnete Jackie. »Um ehrlich zu sein, ich kann mich gar nicht daran erinnern, daß ich den Brief getippt hab’, aber es ist ja auch sieben Jahre her, und ich kann mich an die Hälfte der Briefe, die hier rausgehen, nicht mehr erinnern. Und meine Initialen sind wirklich drauf.«
»Ja?«
Jackie zog ihre Schreibtischschublade auf, nahm ihre Handtasche heraus und kramte daraus einen zusammengefalteten Zeitungsausschnitt hervor. »Schon seit ich den Brief an die Manning Clinic über die Petrovic in der Zeitung abgedruckt gesehen hab’, hat mich was gestört. Schau mal her.«
Sie reichte Milly den Ausschnitt. »Siehst du, wie die erste Zeile bei jedem Absatz eingerückt ist? So tippe ich die Briefe für Mr. Carter und Mr. Orsini. Mr. Collins wollte seine Briefe immer im Blocksatz getippt haben, ganz ohne Einzug.«
»Das stimmt«, pflichtete Milly ihr bei, »aber es sieht auf jeden Fall wie Mr. Collins’ Unterschrift aus.«
»Die Experten sagen, daß es seine Unterschrift ist. Ich aber sage, daß es arg komisch ist, daß ein Brief, den er unterschrieben hat, so getippt rausgegangen ist.«
Um drei Uhr rief Tom Weicker an. »Meg, ich wollte Sie nur wissen lassen, daß wir den Bericht bringen, den Sie über das Franklin-Institut in Philadelphia gemacht haben und den wir eigentlich für die Sondersendung über die eineiigen Zwillinge verwenden wollten. Wir haben ihn für beide Nachrichtensendungen heute abend eingeteilt. Es ist eine gute bündige Zusammenfassung über künstliche Befruchtung und ergänzt die Ereignisse in der Manning Clinic.«
»Ich bin froh, daß Sie’s bringen, Tom.«
»Ich wollte sichergehen, daß Sie’s auch sehen«, sagte er mit überraschend freundlicher Stimme.
»Vielen Dank, daß Sie mir Bescheid gegeben haben«, erwiderte Meg.
Mac rief um halb sechs an. »Wie wär’s, wenn du und Catherine zur Abwechslung mal hier herüber zum Abendessen kommt? Heute abend wollt Ihr doch bestimmt nicht
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