Das fremde Gesicht
Straßen weiter weg lag. Er zahlte für das volle Programm: Staubsaugen, Kofferraum-Reinigung, Politur des Armaturenbretts, Waschen, Wachsen. Als der acht Jahre alte Chevy herauskam, war er noch immer schäbig, aber respektabel, und der dunkelgrüne Lack war wieder zum Vorschein gekommen.
Er wusch seinen Wagen nie außer bei den seltenen Anlässen im Jahr, wenn seine Mutter verkündete, sie habe vor, am folgenden Sonntag in die Kirche zu gehen.
Selbstverständlich wäre es anders, wenn er Meghan zu einer Fahrt mitnähme. Für sie würde er ihn wirklich auf Hochglanz bringen.
Bernie wußte, was er tun würde. Er hatte die ganze Nacht darüber nachgedacht. Vielleicht gab es ja einen Grund, weshalb er seinen Job in der Garage verloren hatte.
Vielleicht gehörte es alles zu einem größeren Plan. Seit Wochen schon reichte es nicht aus, Meghan nur während der paar Minuten zu sehen, wenn sie ihren Mustang oder einen Wagen von Channel 3 abstellte oder abholte.
Er wollte in ihrer Nähe sein, um Videos von ihr zu machen, die er dann nachts auf seinem Recorder abspielen konnte.
Heute würde er in der Siebenundvierzigsten Straße eine Videokamera kaufen.
Aber er brauchte Geld. Niemand war ein besserer Chauffeur, also konnte er es damit verdienen, seinen Wagen als inoffizielles Taxi zu nutzen. Das würde ihm auch eine Menge Freiheit geben. Die Freiheit, nach Connecticut zu fahren, wo Meghan Collins wohnte, wenn sie nicht in New York war.
Er mußte sich in acht nehmen, daß er nicht auffiel.
»Man nennt es eine Zwangsvorstellung, Bernie«, hatte der Psychofritze auf Riker’s Island erklärt, als Bernie dringend erfahren wollte, was denn mit ihm nicht stimmte.
»Ich glaube, wir haben Ihnen geholfen, aber wenn Sie wieder dieses Gefühl überkommt, möchte ich, daß Sie mit mir reden. Es bedeutet, daß Sie dann vielleicht Medikamente brauchen.«
Bernie wußte, daß er keine Hilfe brauchte. Alles was er brauchte war, in der Nähe von Meghan Collins zu sein.
22
Helene Petrovics Leiche lag den ganzen Dienstag über in dem Schlafzimmer, wo sie gestorben war. Mit ihren Nachbarn nie besonders vertraut, hatte sie sich bereits von den wenigen verabschiedet, mit denen sie gelegentlich ein paar Worte wechselte, und ihr Wagen war in der Garage, die zu ihrem Apartment gehörte, außer Sicht.
Erst als die Wohnungsbesitzerin am Spätnachmittag vorbeischaute, fand sie die Tote am Fuß des Bettes liegen.
Der Tod einer unauffälligen Embryologin in New Milford, Connecticut, wurde in verschiedenen Nachrichten-Sendungen der New Yorker Fernsehstationen erwähnt. Es gab nicht viel zu berichten. Nichts deutete auf einen Einbruch hin, ebensowenig auf sexuelle Gewalt. Das Portemonnaie des Opfers mit zweihundert Dollar darin war in dem Zimmer, daher wurde ein Raubmord ausgeschlossen. Eine Nachbarin von der anderen Straßenseite steuerte die Information bei, daß sie einen Besucher bei Helene Petrovic beobachtet habe, einen Mann, der immer spät am Abend gekommen sei. Sie habe ihn nie genau zu sehen bekommen, wisse aber, daß er groß war. Ihrer Meinung nach war es wohl ein Freund, weil er seinen Wagen immer in der freien Hälfte von Mrs. Petrovics Garage geparkt habe. Sie sei sich sicher, daß er noch nachts weggefahren sein mußte, weil sie ihn nie am Morgen gesehen habe. Wie oft sie ihn gesehen habe? Vielleicht fünf- oder sechsmal. Das Auto? Eine ziemlich neue dunkle Limousine.
Nach der Entdeckung der Notiz über den Tod ihrer Großmutter hatte Meghan im Krankenhaus angerufen und die Auskunft erhalten, ihre Mutter schlafe und sei in befriedigender Verfassung. Todmüde hatte sie den Arzneischrank nach einer Schlaftablette durchstöbert, war dann zu Bett gegangen und hatte durchgeschlafen, bis ihr Wecker sie um halb sieben in der Frühe wachklingelte.
Ein sofortiger Anruf im Krankenhaus ergab die beruhigende Nachricht, ihre Mutter habe eine erholsame Nacht verbracht und ihre Werte seien normal.
Meghan las die Times zum Kaffee und war schockiert, in dem Connecticut-Teil über den Tod von Dr.
Helene
Petrovic zu lesen. Da war auch ein Bild der Frau. Der Ausdruck ihrer Augen darauf war ebenso traurig wie geheimnisvoll. Ich habe doch in der Klinik mit ihr gesprochen, dachte Meghan. Sie hatte das Labor mit den tiefgekühlten Embryos unter sich. Wer hat nur diese stille, intelligente Frau ermordet? fragte sich Meghan. Ein anderer Gedanke kam ihr in den Sinn. Laut der Zeitungsnotiz hatte Dr. Petrovic ihre Stelle gekündigt und geplant, am
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