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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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bin sofort gegangen. Ich wußte von Aurelia, daß er mit seiner Familie in Connecticut lebte und nahm einfach an, daß sie in Arizona Urlaub gemacht haben.«
    »Hat er die Frau, mit der er zusammen war, als seine Frau vorgestellt?«
    »Ich glaube schon. Da bin ich mir nicht sicher. Er hat vielleicht so was gesagt wie: ›Frances und Annie, das ist Cyrus Graham.‹«
    »Sie wissen genau, daß das Mädchen Annie hieß?«
    »Ja, bestimmt. Und ich weiß, daß die Frau Frances hieß.«
    »Wie alt war Annie damals?«
    »Ungefähr sechzehn, würde ich meinen.«
    Meghan überlegte, daß sie dann inzwischen etwa sechsundzwanzig sein müßte. Sie fröstelte. Und sie liegt an meiner Stelle im Leichenschauhaus, dachte sie.
    Ihr wurde bewußt, daß Graham sie betrachtete.

    »Ich glaube, wir könnten eine Tasse Tee gebrauchen«, sagte er. »Haben Sie zu Mittag gegessen?«
    »Bitte keine Umstände.«
    »Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Gesellschaft leisten. Ich sag’ Jessie, sie soll uns etwas herrichten.«
    Als er den Raum verließ, faltete Meghan ihre Hände auf den Knien. Ihre Beine fühlten sich schwach und wackelig an, so als würden sie ihr den Dienst versagen, falls sie aufstünde. Annie, dachte sie. Ganz deutlich fiel ihr plötzlich ein, wie sie einst mit ihrem Vater über Namen diskutiert hatte. »Wieso bist du eigentlich auf Meghan Anne für mich gekommen?«
    »Meine zwei liebsten Namen auf der ganzen Welt sind Meghan und Annie. Und so bist du zu Meghan Anne geworden.«
    Du bist also doch dazu gekommen, deine zwei Lieblingsnamen zu verwenden, Dad, dachte Meghan bitter. Als Cyrus Graham, gefolgt von dem Hausmädchen mit einem Lunchtablett, zurückkehrte, nahm Meghan eine Tasse Tee und ein Häppchen an.
    »Ich kann gar nicht sagen, wie geschockt ich bin«, erklärte sie und war froh, daß sie sich wenigstens gelassen anhörte.
    »Jetzt erzählen Sie mir etwas über ihn. Mein Vater kommt mir plötzlich wie ein Fremder vor.«
    Es war keine schöne Geschichte. Richard Collins, ihr Großvater, hatte die siebzehnjährige Aurelia Crowley geheiratet, als sie schwanger wurde. »Er hielt es für eine Sache des Anstands«, sagte Graham. »Er war viel älter und ließ sich fast im Handumdrehen wieder von ihr scheiden, aber er hat sie und das Kleine ziemlich großzügig unterstützt. Ein Jahr später, als ich vierzehn war, haben Richard und meine Mutter geheiratet. Mein eigener Vater war tot. Das hier war das Heim der Familie Graham. Richard Collins ist mit eingezogen, und es war eine gute Ehe. Er und meine Mutter waren ziemlich steife, freudlose Menschen, und wie es so schön heißt, waren sie füreinander wie geschaffen.«
    »Und mein Vater wurde von seiner Mutter großgezogen?«
    »Bis er drei Jahre alt war, denn zu dieser Zeit verliebte sich Aurelia Hals über Kopf in jemanden aus Kalifornien, der sich kein Kind aufbürden lassen wollte. Eines Morgens kam sie hier an und setzte Edwin mit seinen Koffern und Spielsachen ab. Meine Mutter war außer sich.
    Richard war sogar noch wütender, und der kleine Edwin war völlig verstört. Er hat seine Mutter angebetet.«
    »Sie hat ihn an eine Familie weggegeben, die ihn gar nicht wollte?« fragte Meghan fassungslos.
    »Ja. Mutter und Richard haben ihn aus Pflichtgefühl aufgenommen, aber bestimmt nicht, weil sie Lust dazu hatten.
    Ich muß schon sagen, er war ein schwieriger kleiner Junge. Ich weiß noch, wie er jeden Tag am Fenster stand und sich die Nase plattgedrückt hat, weil er überzeugt war, daß seine Mutter wiederkommen würde.«
    »Und ist sie wiedergekommen?«
    »Ja. Ein Jahr später. Die große Liebe war vorüber, und sie kehrte zurück und nahm Edwin wieder bei sich auf. Er war überglücklich, und meine Eltern waren es ebenso.«
    »Und dann …«
    »Als er acht war, traf Aurelia jemand anders, und das Szenarium hat sich wiederholt.«
    »O Gott!« sagte Meghan.
    »Diesmal war Edwin wirklich unerträglich. Er dachte offenbar, wenn er sich möglichst schlecht benahm, würden sie einen Weg finden, ihn zu seiner Mutter zurückzuschicken. Es war ein interessanter Morgen hier bei uns, als er den Gartenschlauch in den Tank des neuen Wagens meiner Mutter gesteckt hat.«
    »Haben sie ihn heimgeschickt?«
    »Aurelia war wieder von Philadelphia weggezogen. Er wurde ins Internat gesteckt und dann im Sommer ins Ferienlager. Ich war weg im College und dann zum Jurastudium und hab’ ihn nur gelegentlich gesehen.
    Einmal allerdings hab’ ich ihn im Internat besucht und mit Erstaunen

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