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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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aus Birmingham sprachen, oder Scouse, dem Liverpooler Dialekt.
    »Sie haben sich ganz richtig verhalten«, versicherte Sam.
    Jackie nickte. »Eins schwör ich Ihnen: Ich hab mir das nicht nur eingebildet. Das sähe mir gar nicht ähnlich, ich habe nämlich überhaupt keine Fantasie. Wissen Sie, was ich meine?«
    Das tat Sam. Jackie Napier war Connie Bowskill so unähnlich wie nur möglich. Sie befanden sich auf den entgegengesetzten Enden der Skala. Und dazwischen, genau in der Mitte, liegt eine tote Frau in ihrem eigenen Blut.
    »Ich will Ihnen mal was über mich sagen.« Jackie zählte die Punkte an den Fingern ab. »Erstens: Ich bin total loyal. Wenn ich auf jemandes Seite bin, bin ich es für immer. Zweitens: Ich lebe in der realen Welt, nicht in irgendeiner Traumwelt. Ich komme nicht auf irgendwelche Ideen, ich rede mir mein Leben nicht schön. Ich ziehe es vor, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind.«
    Meinte sie damit, dass sie sich nicht für etwas Besseres hielt, dass sie keine ausgefallenen, weit hergeholten Ideen hatte? Oder dass sie überhaupt keine hatte? Aber sie brachte Sam da gerade auf eine Idee: Vielleicht konnte er ja seine Defizite mit einem bisschen umgekehrter Prahlerei garnieren. Er stellte sich vor, wie er Proust verkündete: »Ich will Ihnen mal was über mich sagen. Erstens: Ich vermeide jede Konfrontation, so gut es geht, und zweitens, ich lasse mir von meinen Untergebenen auf der Nase herumtanzen.« Das würde vielleicht gut ankommen – ungefähr genauso gut wie der Umstand, dass Sam den heutigen Tag damit zubrachte, Ian Grint bei der Untersuchung eines Mordes zu unterstützen, der möglicherweise passiert war, möglicherweise aber auch nicht. Als hätte Sam keine eigenen Fälle, um die er sich kümmern musste.
    »Wie spät war es, als Sie die Leiche der Frau bei Roundthehouses sahen?«, fragte er Jackie.
    »Das habe ich DC Grint schon gesagt, ungefähr Viertel nach eins, könnte auch zwanzig nach gewesen sein.«
    Und Grint hätte es Sam mitteilen können. Aber Sam war froh, dass er es nicht getan hatte, jetzt, wo er so weit gekommen war, wo Jackie endlich ihn ansah und nicht länger eine Grimasse schnitt, sobald er irgendetwas sagte. Als er vorhin darum gebeten hatte, ins Bild gesetzt zu werden, hatte Grint leise gelacht und entgegnet: »Zu viel Mühe, nicht genug Zeit.« Als Sam den Vernehmungsraum betrat, kannte er nur Jackies Namen und dass sie behauptete, dasselbe gesehen zu haben wie Connie Bowskill. Folglich kamen seine Eindrücke aus erster Hand, nicht verzerrt durch die Schlussfolgerungen, zu denen Grint gelangt sein mochte.
    Grint hatte recht, es war besser, es so zu machen. Sam ließ sich durch die vordergründige Flapsigkeit seines Kollegen nicht täuschen, die verschwundene Tote war Grint nicht gleichgültig. Wenn jemandem wirklich etwas an einer Sache lag – über die gewissenhafte Erledigung beruflicher Pflichten hinaus –, spürte man das an allem, was er sagte oder tat. Und dieses Gefühl hatte Sam in Grints Gegenwart – als läge Adrenalin in die Luft, in den Wänden, in den Möbeln –, und er wusste, er war nicht derjenige, der es erzeugte. Grint ist wie Simon Waterhouse, dachte er. Er wäre jede Wette eingegangen, dass die beiden Ermittler einander verabscheuen würden.
    »Gehen Sie oft mitten in der Nacht ins Internet?«, fragte er Jackie.
    »Um Himmels willen, nein. Ich liege immer um neun im Bett. Es war der Jetlag. Ich bin am Donnerstag aus dem Urlaub zurückgekommen, und es dauert immer ein paar Tage, bis ich nach Langstreckenflügen wieder ganz die Alte bin.«
    »Wo waren Sie im Urlaub?«
    »In Matakana, Neuseeland. Ich wette, Sie haben noch nie davon gehört.«
    Das hatte Sam sehr wohl, aber er tat so, als wäre das nicht der Fall, da er erriet, dass es ihr Spaß machen würde, ihn aufzuklären.
    »Meine Schwester lebt da. Es ist ein hübscher kleiner Ort. Sie betreibt ein Café. Na ja, eigentlich eine Kunstgalerie, aber es gibt auch Kuchen und Kaffee und so. Es weiß nicht so recht, was es eigentlich ist – sonst würde es mehr Geld einbringen, garantiert. Ich sag ja immer, in Matakana kann man wunderbar Urlaub machen, aber leben würde ich da nicht wollen.«
    Sam überlegte, wie oft Jackie den Spruch wohl in Gegenwart ihrer Schwester von sich gegeben hatte, während sie deren Gastfreundschaft genoss.
    »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, was Sie von Beruf sind?«
    Jackie machte eine ruckartige Kopfbewegung in Grints Richtung. »Hat er

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