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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
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Haut erinnert mich an – farbiges Glas, vielleicht.«
    »Du kannst durch mich durchsehen?«
    »Das nicht. Es ist eher so, als ob jemand Schichten deines Körpers abgetragen hätte. Du bist sehr blass.«
    Jonas betrachtet seine Haut.
    »Wo ist er, dein Freund Pip?«, fragt er nach einer Weile. »Warum ist er nicht hier?«
    »Er ist jetzt fort«, sagt Moira und dreht ihm den Rücken zu.
    »Was wirst du machen?«, fragt er.
    Als er versteht, dass sie nicht antworten wird, fährt er fort. »Die Keller sind gesichert. Du wirst nicht hineinkommen. Und selbst, wenn du es schaffst und ihn dort findest – der Engel ist groß, allein bekommst du ihn nicht aus dem Keller.«
    Moira dreht sich zu Jonas um. »Dann bleibe ich am besten hier«, sagt sie. »Setze mich zu dir in den Sessel, und wir warten zusammen auf das Ende.«
    Jonas senkt den Blick. Mit einem Mal ist er sich selbst peinlich, so wie sein Plan, auf das Ende zu warten, so wie der beigefarbene Sessel, sein Bademantel und sein Haar, das er schon seit einer Weile nicht mehr gewaschen hat.
    »Was willst du überhaupt mit dem Engel?«, fragt er. »Er kann nichts. Es ist bloß eine Statue.«
    »Weiß ich. Ich will ihn verkaufen.«
    »An wen?«
    »Leute von draußen.«
    »Und was zahlen sie dir?«
    »Kein Geld. Aber ich bekomme eine Ausreisegenehmigung. Und den Transport nach draußen.«
    »Bringt dir auch nichts. Draußen hilft dir niemand. Du hast kein Geld und keine Freunde. Keine Versicherung und keine Wohnung.«
    »Besser als hierzubleiben«, sagt Moira und schultert ihren Rucksack. »Ich gehe jetzt. Mir wird schlecht von dem Zeug, das hier in der Luft hängt. Du atmest es die ganze Zeit ein.« Sie wippt auf und ab. Komm mit, würde sie gern sagen. Komm mit mir. Und sie spricht weiter, obwohl sie weiß, dass es mehr braucht als die bloße Aufforderung aufzustehen, um ihn aus dem Sessel zu bekommen.
    »Die Abmachung war, dass sie mich und einen Freund aus der Stadt bringen. Ich weiß, du willst hier nicht weg, aber falls doch, falls du mir helfen würdest. Ich würde dich mitnehmen.«
    Jonas schüttelt den Kopf. »Ich bleibe. Danke.«
    »Du bleibst eben nicht, denn Basenzia wird verschwinden. Auch wenn du hierbleibst, bleibst du nicht hier. Bestenfalls stirbst du. Schlimmstenfalls – wer weiß.«
    Er blinzelt, seine Augen scheinen wässrig. Moira dreht sich zur Seite, sie ist noch nie geduldig oder zuversichtlich genug gewesen, um anderen über den Kopf zu streichen, ihnen zu versichern, dass alles gut wird. Meist, findet sie, wird es ja nicht gut. Als Jonas ihren Gesichtsausdruck sieht, drückt er die Hände gegen die Augen. »Ich will bloß, dass es aufhört«, sagt er. »Nichts kann so schlimm sein wie das hier.« Er lässt die Hände sinken. Müde sieht er aus. So, als hätte er seit Wochen nicht geschlafen. Dabei, vermutet Moira, hat er in letzter Zeit wenig anderes getan. Sie betrachtet den grünen Himmel. Es ist höchste Zeit, Basenzia zu verlassen. Doch nicht zum ersten Mal an diesem Tag wollen sich ihre Beine nicht in Bewegung setzen. Statt loszulaufen, statt den Raum, das Haus, das ganze Viertel zu verlassen, fragt sie: »Wie fühlt es sich an?«
    Einen Moment überlegt er. »Als ob etwas fehlen würde. Ich habe – ich habe oft geweint. Ohne zu wissen, warum. Aber aufhören konnte ich auch nicht. Nachts hatte ich Albträume. Ich weiß , dass ich Albträume hatte, aber ich kann mich an keinen einzigen erinnern. Nach dem Aufwachen fiel mir etwas ein, aber genauso wenig wie ich mich an die Träume erinnern konnte, wusste ich, was es war. Das erste Mal, als es passierte, hat es sich angefühlt wie ein Sturz, so als ob jede Zelle in meinem Körper fallen würde. Es war, als ob –«
    »Als ob du sterben würdest?«
    »Nein«, antwortet er. »Als ob jemand anderes gestorben wäre.«
    Genau so: als hätte er vom Tod eines Menschen erfahren, ohne den er glaubte, nicht leben zu können.
    »Im Laufe des Tages wurde es besser, aber nicht sehr. Mir ist schwindelig gewesen, und ich bin oft hingefallen, umgefallen. Plötzlich hatte ich das Gefühl, mein Bein wäre nicht da, mein Fuß oder mein Arm. Aber wenn ich hinsah, war alles unverändert. Dann war alles – da.« Er streckt ihr die rechte Hand entgegen. Sie nickt.
    »Ich habe gehört, dass sie drüben helfen können.«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Niemand kann helfen«, behauptet er.
    »Dort draußen haben sie Zentren. Sie können viel mehr tun als wir. Sie können –«
    »Nein.« Er hebt die Hände. »Das macht

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