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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hartwell
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blinzelt. »Meine Mutter stellte überall Uhren auf, in jedem Zimmer. Eine Weile beruhigte sie das Ticken und dass sie zur vollen Stunde schlugen. Man hörte es im ganzen Turm und auch draußen am Strand. Sie sind noch immer da. Ich habe sie alle abgestellt, aber sie sind noch da.«
    Jasper stellt sich den Turm vor, den Nebel, den Strand und Mare, der tagein, tagaus, während der verregneten Abende und langen Nächte vor seinem Funkgerät sitzt. Unterdessen hat Mare sich erhoben und den Ärmel seines Pullovers zurückgezogen. Er trägt dieselbe veraltete Digitaluhr wie Per. 1 0 870 steht auf der Anzeige. »Hör zu, Jasper, ich werde meinen Freunden die Koordinaten durchgeben, damit sie dich leichter finden können. Aber vorher möchte ich dir noch etwas zeigen.«
    Jasper folgt Mare um den Tisch herum und in den hinteren Teil des Raumes. Verborgen hinter den größeren Maschinen befindet sich ein weiteres Konstrukt, ein stählernes Gerüst, in welches sechs gläserne Scheiben eingelassen sind.
    »Der Tank«, sagt Mare.
    Jasper tritt näher an die Scheibe heran und erkennt, dass er sich geirrt hat: Das durchscheinende Material ist kein Glas, sondern ein deutlich instabilerer, prekärerer Stoff, der, so scheint es Jasper, schon bei der kleinsten Berührung wie eine Seifenblase zerplatzen müsste.
    Neben dem Tank steht eine wuchtige Statue. Sie ist mit einer goldfarbenen Schicht überzogen, die nur noch matt glänzt und an einigen Stellen bereits abblättert.
    »Das ist das Herzstück, der Motor für alle anderen Maschinen und die einzige von ihnen, die ich nicht selbst gebaut habe«, sagt Mare.
    Überrascht blickt Jasper von dem Tank zu Mare.
    »Du hast die anderen Maschinen selbst gebaut?«
    »Ja. Die größte Schwierigkeit war, das Material zu beschaffen. Einige Teile konnte ich zum Turm bringen lassen, aber für das meiste musste ich reisen. Und … ich verlasse den Turm nicht gerne. Die eigentliche Konstruktionsarbeit war einfach. Ich hatte genaue Anweisungen.« Er tippt gegen sein rechtes Ohr. »Und Zeit ohnehin.« Er deutet wieder auf den Engel. »Nur sie habe ich nicht bauen müssen. Eines Morgens lag sie in der Brandung.«
    Jasper will Mare weitere Fragen zu den Maschinen stellen, will wissen, ob Mare auch eigenhändig und nur nach den gewisperten Angaben der Stimmen den Tank errichtet hat. Doch als er den Mund öffnet, deutet Mare auf seine Armbanduhr. »Wir sollten jetzt das Signal senden«, sagt er und bedeutet Jasper, ihm zurück zum Tisch zu folgen.
    Unter den Bauplänen zieht Mare einen schmalen, schwarzen Kasten hervor, ein Funkgerät. Jasper beobachtet, wie Mare auf einen Knopf drückt und runzelt die Stirn. Als Mare seinen Gesichtsausdruck bemerkt, lächelt er.
    »Ich bin kein Geist. Wenn ich die Bewegung selbst steuere, mich auf meine Umgebung konzentriere, kann ich Dinge berühren. Aber ich bin leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Und vorhin, als du mich anfassen wolltest – darauf war ich nicht vorbereitet.«
    Das Funkgerät beginnt zu rauschen. Als sich ein hoher Pfeifton unter das Rauschen mischt, setzt Mare sich auf den Stuhl vor den Tisch. Angespannt lauscht er den Störgeräuschen, dann plötzlich nickt er. »Ja, dieses Mal bloß einer. Ich gebe euch die Koordinaten durch.« Mare spricht die Zahl, welche sich nun auf der Anzeige seiner Armbanduhr befindet, in das Gerät.
    Gemeinsam lauschen sie dem Rauschen, doch so sehr sich Jasper auch bemüht, er kann keine Stimmen hören, keine Worte, sicher keine Sätze.
    »Wird er. Dafür sorge ich schon«, sagt Mare. Mit einer raschen Bewegung schiebt er das Gerät unter die Pläne zurück und wendet sich Jasper zu.
    »Wir müssen uns beeilen, Jasper. Sie sind bereits in der Nähe. Du hast ungefähr eine halbe Stunde Zeit, um zurück auf das Oberdeck zu gelangen.«
    Ein mulmiges Gefühl breitet sich in Jaspers Magengegend aus, strebt von dort in seinen restlichen Körper, legt sich pelzig auf die Zunge, als unangenehmer Druck auf die Augen.
    »Warum, was ist auf dem Oberdeck?«
    Mare erhebt sich. Er ist ein gutes Stück größer als Jasper und muss auf ihn herunterblicken, um ihm in die Augen zu schauen.
    »Du musst ins Wasser, Jasper. Der einzige Weg von der Evicon hinunter führt über das Meer. Von hier unten kannst du nicht springen. Deswegen musst du auf das Oberdeck.«
    Jasper schließt die Augen, gerade erst, so kommt es ihm vor, stand er neben Per und blickte in die endlose Schwärze des Schachtes, gerade erst verschränkte er die Arme,

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