Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
prangt den Morgen zu verkünden
Die Sonn’ auf ihrer Bahn
Bald soll die Nacht, die dunkle schwinden,
Der Tag der Freiheit nah’n«
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Die wirklichen Verhältnisse erscheinen stets als Mischung ...
Wie in jedem der früheren Jahre (auch zu Ende des Zweiten Weltkriegs) bereiteten sich die Karnevalsvereine der Frankfurter Vorstädte so wie am Südufer des Mains – unverbunden mit dem studentischen Protest – auf ihre Sitzungen und Umzüge vor. Ein Schwung neuer Ware war aus Schleswig-Holstein, Bulgarien und Afrika in den Etablissements der Kaiser- und Weserstraße eingetroffen und wurde dort von Zuhältern »geschult«. Konkurrierende Abschleppfirmen lieferten sich zwischen Bad Vilbel und Bad Soden einen Kampf um ein gestrandetes Auto. Ein Betriebsunfall bei Messer-Griesheim. Umzugspläne einer Hauptabteilung im Gewerkschaftshaus der IG Metall in der Wilhelm-Leuschner-Straße.
H. J. Krahl steht, umrundet von 14 Genossen, auf einer Holzempore am Ausgang des Universitätsvorplatzes zur Bockenheimer Landstraße und spricht zum Thema der Aktion, die an allen Punkten der Stadt, für alle Betriebe, regional und überregional, mit der ganzen Stoßkraft der Bewegung, vorwärtsgetrieben werden muß. Er sagt, daß es falsch ist, zu behaupten: Weil dieser und jener historische Sachverhalt nicht mehr besteht, verbiete es sich, heute von Revolution zu reden. Die Frage sei doch vielmehr: Wie ist unter diesen veränderten und eventuell erschwerten Bedingungen die Veränderung der Gesellschaft möglich? Und dazu könnte man folgende Thesen angeben ...
Der Genosse Wiegand, an sich Volkswirtschaftler, sagt in seinem Arbeitskreis, ehe dieser überhaupt ein Sachthema gefunden hat: »Das verschlossene Wesen des Universums hat keine Kraft in sich, welche dem Muthe des Erkennens Widerstand leisten könnte, es muß sich (das Universum) vor ihm auftun ...« Die anwesenden Teilnehmer und Genossen kritisieren ihn, da es ja nicht um die Erforschung des Universums, sondern um die konkrete Kampfsituation des Tages geht. Wiegand antwortet: »Hört doch nur mal zu ... Es muß sich vor ihm auftun und seinen Reichtum und seine Tiefe ihm vor Augen legen und zum Genusse bringen ...« Hör auf, wird ihm erwidert, du hast den falschen Ton drauf. Es geht darum, ob wir morgen früh mit Flugblättern vor VDO stehen, und was soll der Arbeitskreis überhaupt machen? Der schwebende Wiegand wird von der Gruppe wieder eingefangen.
In einer Arbeitsgruppe, 1 Uhr nachts, vergleicht Gert Uhlewettler den revolutionären Prozeß mit dem Geburtsvorgang. Zur Gruppe zählen Ärzte und Hebammen-Anlernlinge. »Erst die Revolution schafft die Gesellschaft als Mutterleib nach der Geburt. Also aus dem Mutterleib in einen Mutterleib.« Das fordert Umstülpung des Organisationsbegriffs. Wieso es feststeht, daß Geburt mit Schmerzen verbunden ist? »Schmerzen gibt es der Mutter mit seinem dicken Schädel.« 32
Abb.: Turbulente Atmosphäre bei Teach-in: »Die Einzelheit, das Besondere und das Allgemeine ziehen mit schrillem Geräusch durch die Stadt ...«
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Auf Orgonsuche. Hängen revolutionärer Elan und Eros zusammen?
Infolge der tiefliegenden Wolkendecke, die sich über der Metropole erstreckt, ist das Blau des Himmels vom Universitätsgelände aus nicht zu sehen. Dieses Blau, das den Planeten umgibt, ist das erwiesene Zeichen jenes Stoffes oder Fluidums, das auch zwischen Liebenden entsteht – ähnlich dem früher von den Physikern postulierten, aber nicht nachgewiesenen Äther. Nach der Behauptung von Freuds Stellvertreter und späterem Apostata Dr. Wilhelm Reich brauchen Menschen dieses Orgon, um ihr Glück zu finden. Gänzlich abgeschnitten von dieser Substanz, müßten sie verderben.
Für die junge revolutionäre Bewegung in Frankfurt-Bockenheim und im Nordend müßte man, meint der Genosse Andreas von Kühlmann, Orgon-Einfangnetze spannen. Alternativ könnte man ein Gerät bauen, in dem die Genossenaktiv ein Gas oder eine Brühe aus Orgon herstellen. Ohne einen massiven Zuschuß aus den Depots der zärtlichen Kraft, so Kühlmann, kann die Bewegung die gewaltigen Anstrengungen zur gesellschaftlichen Veränderung nicht dauerhaft auf sich nehmen. Noch ist die Bewegung nicht zahlenstark. Sobald sie angeschlossen wäre an den ubiquitären Strom (jahrtausendealt) aufgestauter libidinöser Kräfte, den wir Orgon nennen, wird der politische Elan mit Flügeln versehen sein. »Was privat ist, muß politisch werden.«
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Sie war bereit, in ihrem Innern zu
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