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Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)

Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)

Titel: Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kluge
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Militärintervention von Athen und Sparta konfrontiert sah. Von dort floh Themistokles zum Großkönig Artaxerxes, dessen Vater er doch bei Salamis so beschämend geschlagen hatte. Die Großkönige lebten von dem Ruf, sie seien großmütig. So schenkte Artaxerxes dem Themistokles drei Städte an der ionischen Küste als »Brot«, »Wein« und »Zukost« (to opson). Die eigenen Vaterländer nahmen dem Pausanias (Sieger von Plataiai) und Themistokles erst den Lebenslauf, danach verloren sie, der eine früher, der andere später, ihr Leben.

    Abb.: Schiff mit Haus.
Koloniebildung im 21. Jahrhundert
    Eine ganze Kolonie griechischer Staatsbürger aus dem Gebiet nördlich von Athen, wo einst die Stadt Thasos belagert und geräumt worden war, sickerte im Jahr 2011 nach Alexandria ein und errichtete in dieser Stadt, die man nicht ägyptisch nennen kann, den Embryo eines gemeinsamen Wohnviertels, quasi Neugriechenland. In der alten Heimat konnten sie nicht leben.
»Griechenland in permanenter Revolution«
    Das am Hals offene Hemd, das später auch die Revolutionäre in Frankreich trugen, die das Regime Louis Philippes stürzten, entsprach einer Modeidee, die von der griechischen Erhebung von 1821 ausging und in Europas Metropolen um sich griff. So entstand auf jenem mittelmeerischen Gelände, das wir Hellas nennen, nicht nur das Bild der antiken Freiheitskämpfer gegen die Perser, sondern auch das des Helden im Befreiungskampf gegen die Osmanen – im Gegensatz zu dem geschlossenen obersten Knopf der Uniform von Polizisten, des schwarzen Anzugs des Bürgers bei feierlichem Anlaß oder dem eng am Hals befestigten Oberkleid eines britischen Geschäftsmannes. Eine griechische Revolte war es auch, welche den von den europäischen Mächten dem Land oktroyierten König aus dem Lande vertrieb. Sechs Könige enthronten die Griechen.
    Voller Glanz der Widerstand gegen die italienische Invasion von 1940. Aufsehenerregend in der Welt: der Sturz des Gewaltregimes der Obristen. Inzwischen gibt es zehn griechische Revolutionen, 22 Revolten und Aufstände, zahllose Verschwörungen. Man kann nicht sagen, so formuliert es der Rechtslehrer Spiros Simitis, dieses Land sei zähmbar und durch irgendeine äußere Macht zu beherrschen.
Der griechische Exodus
    Eine Episode der permanenten griechischen Revolution bezieht sich auf die Rettung von 70000 Kindern, deren Eltern ELAS -Kämpfer waren. Diese Aufständischen von 1944 wurden als Kommunisten bezeichnet. Sie wurden nach ihrer Niederlage blutig verfolgt. Ihre Kinder wurden nach Norden evakuiert, wuchsen in späteren Ostblockländern auf, ein großes Kontingent davon auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland. Sie besuchten die Kindergärten und Schulen der späteren DDR , wurden in Berufe eingereiht. Viele wechselten in der Mitte ihres Lebens nach 1989 in andere Länder.
    Ein größerer Exodus als dieser war 1922 Smyrnas Räumung und die der kleinasiatischen Küste, an der mehr als eine Millionen Griechen seit der Antike siedelten. Nachdem griechische Truppen, siegestrunken, vor Ankara zurückgeschlagen worden waren, rächten sich die türkischen Militärs, indem sie alle Griechen verbannten und deren Wohnsitze anzündeten. → Die Katastrophe von Smyrna, Tür an Tür mit einem anderen Leben , S. 330.
    Zuvor schon hatten die Not und die Hoffnung ein gewaltiges Kontingent Griechen in die USA getrieben. In der Antike aber war der Exodus die übliche Methode, übervölkerte Kommunen durch Auswanderung und Bildung einer Kolonie auf eine moderate Größe zu bringen. Im Mittelalter bezeichnete der Exodus die Art, wie sich Eliteuniversitäten durch Neugründung über Europa verbreiteten. Der Exodus der griechischen Gelehrten aus Byzanz vor und nach der Eroberung dieser Stadt durch den Sultan begründete in der Toskana und in Venedig die Renaissance.

Ein Lebewesen, weder osmanisch noch griechisch
    Nachdem das Osmanische Reich seine Vorherrschaft im östlichen Mittelmeer nach 1453 befestigt hatte, blieben auf den Ionischen Inseln griechisch-venezianische Monarchien und Republiken einige Jahrhunderte lang intakt. In seinem Roman Der Blaue Kammerherr hat Wolf von Niebelschütz einen Regimewechsel auf einer dieser Inseln zum Romanstoff gemacht. Griechenlands Götter haben zu den handelnden Personen des Romans direkten, auch physischen Kontakt. Das geschieht in der Form von Gestalten, die sich wandeln. So weiß man nicht, ob Venedigs Botschafter oder der rätselhafte blaue Kammerherr

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