Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
Sergej jünger sind als Sie, nehme ich an, dass Ihre Frau von Fiete, Bodo oder Ulli spricht.«
Hesskamp nahm einen langen Schluck Bier.
»Kennen Sie einen der Schrebergärtner aus der Schule?«, fragte ich direkt.
»Ich wüsste nicht, was das mit dem Verschwinden von Bine zu tun hat«, bemerkte Hesskamp.
Danner lehnte sich vor und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. Seine steingrauen Augen fixierten den Polizisten. Etwas zu hastig ahmte ich Danners Haltung nach.
»Das ist lange her.« Hesskamp stellte sein Glas auf den Tisch. »Aber gut, wenn es euch hilft. Alwin, Fiete, Ulli und Bodo sind in Gerthe aufgewachsen. Der Vereinsvorsitzende Peter Bengel übrigens auch. Wir sind alle ein Jahrgang, man kennt sich zwangsläufig.«
Oh. Ich versuchte zu überschauen, was das bedeutete. Die Schrebergartenbekanntschaften waren alles andere als zufällig.
»Und?«, versuchte Danner, das Gespräch in Gang zu halten, weil ich nichts mehr sagte.
»Und nichts.« Hesskamp zuckte die Schultern. »Fiete und Ulli waren schon immer schräge Vögel.«
Ich strich meine Haarfransen hinter die Ohren und lehnte mich noch ein wenig weiter zu Hesskamp hinüber, um sein Gesicht sehen zu können: »Was ist die Rote Rose? «
Hesskamp erstarrte.
»Eine Schrebergartenmafia?«, ließ ich nicht locker.
Der Polizist fing an, die Wollfransen der Tischdecke zwischen den Fingern zu zwirbeln.
»K-lle Blm-kst«, murmelte er undeutlich.
»Was?«, wollte jetzt auch Danner wissen.
»Kalle Blomquist.«
Häh? Ich machte große Augen.
Hesskamp kniff sich mit Daumen und Zeigefinger in die Nasenwurzel. »Ich hab schon ewig nicht mehr daran gedacht. Als Kinder haben wir Astrid Lindgrens Geschichten von Kalle Blomquist gehört. Im Radio. Ich weiß noch, wie wir immer in der Küche vor dem Ofen gesessen und ganz gespannt drauf gewartet haben. Die Weiße Rose war der Name der Bande von Kalle Blomquist und seinen beiden besten Freunden Eva-Lotte und Anders.«
Ich staunte.
»Die Weiße Rose kämpfte gegen eine gegnerische Kinderbande, die Rote Rose. Wir haben das jahrelang nachgespielt, damals. Alwin Kopelski, Peter Bengel und ich waren die Weiße Rose, die Guten. Die Schwerinstraße war unser Revier.« Hesskamp bemerkte meinen verwunderten Blick. »Das waren andere Zeiten damals«, erklärte er. »Im Winter bildete der Kohlenstaub eine schwarze Kruste auf dem Schnee. Unsere Väter sind täglich in die Zeche eingefahren, unsere Mütter mussten Haus und Garten bewirtschaften. Wir Kindern wurden nicht beaufsichtigt. Die meiste Zeit waren wir auf uns allein gestellt und Computerspiele und dergleichen gab es damals ja noch nicht.«
Der Fußballstammtisch grölte los und vertrieb das Bild vom schwarzen Schnee aus meinem Kopf.
»Und wer gehörte zur Roten Rose? «, wollte ich wissen.
»Die Jungs aus der Fischerstraße«, antwortete Hesskamp. »Fiete, Ulli und Bodo.«
Klick.
Das Lama glotzt blöde. Mit hängenden Ohren und hängender Unterlippe. Der Dicke streichelt grob, ungeschickt. Vergräbt die Finger im zottigen Fell und strahlt wie ein Dreijähriger. Doch das Vieh hält still.
Es ist offenbar intelligenter, als es aussieht.
13.
Der Nachthimmel war sternenklar und ein gelber Mond hing schwer über der weiten offenen Ebene. Krater und Hügel warfen Schatten auf die leere Fläche. In der Ferne ragten Kräne neben einer Planierraupe auf wie gigantische, stählerne Insekten.
Danner und ich schlichen über das alte Zechengelände an die Rückseiten der Gärten heran. Wenn es in Kopelskis Teich etwas gab, was bei der Reparatur nicht gefunden werden durfte, dann musste er es schleunigst beseitigen. Unbemerkt ging das nur nachts.
Wir duckten uns hinter den Büschen und lauschten. Doch es war still. Keine Geräusche, die verrieten, dass jemand mit einer Schaufel oder Ähnlichem hantierte. Kurzerhand nahmen wir die Abkürzung an Ullis Garage vorbei.
Als wir Kopelskis trockengelegten Bergsee erreichten, ließ Danner eine Taschenlampe aufflammen. Alles schien unverändert. Das Licht wanderte über den flachen Teichbereich, der nun stellenweise abgetrocknet war. Über die glitschige Teichfolie hinweg trat ich an das rechteckige Loch in der Mitte. Das Wasser unter mir glitzerte im Licht der Lampe. Das Loch hatte wirklich die Form eines Grabes.
»Es ist drei Uhr nachts«, zischte Danner. »Wenn Kopelski etwas hätte beiseiteschaffen wollen, hätte er längst damit anfangen müssen. Wahrscheinlich kann er aber ohne Bagger gar nichts
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