Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
Treckerreifen. Umringt wurde sie dabei von einem Esel, einem Hängebauchschwein und einem Schaf. Auf dem knapp fünfhundert Quadratmeter großen Areal aus festgetrampeltem Erdboden stand ein offener, dick mit Stroh ausgelegter Unterstand.
Patsch! Ich zuckte zusammen, als die Lamaspucke den Kragen meiner Jacke traf.
»Na, vielen Dank!«, fluchte ich.
»Toni, du ungezogenes Vieh!«, schimpfte die Frau und fuchtelte mit der Mistgabel. Das Lama zeigte ihr unbeeindruckt das pelzige Hinterteil.
»Entschuldigen Sie!« Die Gummistiefelträgerin rammte die Mistgabel vor mir in den Boden und putzte bereits an meiner Jacke herum, während der Stiel des Werkzeuges noch hin und her federte.
Balkonbäume.de, stand auf ihrer Latzhose.
»Er hat einfach keine Manieren. Julietta Engele.«
Es dauerte einen Augenblick, bis ich ihre hingehaltene Hand registrierte und begriff, dass die Frau sich vorgestellt hatte.
»Lila Ziegler.« Ich wunderte mich über ihren festen Griff. Die Frau war sicher über sechzig, aber ziemlich gut in Form. Die Gesichtshaut faltig, aber trotzdem geschmeidig. Vermutlich dank des regelmäßigen Einsatzes höherpreisiger Pflegeprodukte. Das Blau ihrer Augen betonte sie mit einem schimmernden Lidschatten und Lippenstift benutzte sie auch. Ihre glänzenden, grauen Locken fielen ihr bis auf den Rücken. Und sogar mit einer Mistgabel in der Hand duftete sie nach einem unaufdringlichen Parfum. Eine angenehme Erscheinung.
»Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie helfen?«, erkundigte sich Julietta Engele, nachdem sie meine Jacke vom Sabber befreit hatte. Dabei setzte sie eine ernste, fast schon betroffene Miene auf.
Unwillkürlich sah ich an mir herunter. Wie immer trug ich zerrissene Jeans und einen zu großen, lila Pulli unter meiner alten Cordjacke. Auf die gepflegte Frau wirkte ich wohl, als hätte ich eine Kleiderspende nötig.
»Schlachten Sie auch?«, erkundigte ich mich spontan.
Ich deutete auf ihr Schaf. Der schmutzig weiße Wollproduzent zerkaute nachdenklich ein Maul voll Heu.
»Wie bitte?« Die Gummibestiefelte sprang entsetzt vor mir zurück. Sie starrte mich an, als hätte ich ihr einen Mord unterstellt.
»Wenn Sie einen Sonntagsbraten suchen, müssen Sie dahinten fragen.« Sie deutete vage in den hinteren Teil der Anlage, in dem sich auch unser Garten befand. »Da finden Sie die Tiermörder.«
Da war ich wohl an eine Vegetarierin geraten.
Danner hatte sich auf eine Kiste Bier gestellt und angefangen, die morschen Bretter unserer Hütte herauszureißen und durch neue zu ersetzen. Die einfachste Art, die friedliche Nachbarschaft heranzulocken.
Bodo tauchte beinahe sofort auf. Unentschlossen drückte er sich vor dem fehlenden Gartentor herum wie vor einer unsichtbaren Absperrung.
»Was ist?«, rief Danner mit Nägeln zwischen den Zähnen. »Komm endlich rein, Mann.«
Bodo schlurfte zögernd heran und stellte sich neben mich. Ich konnte riechen, dass er die ersten Bierflaschen bereits geleert hatte.
»Ich muss dir was beichten, Benni.«
Danner hörte auf zu hämmern. Bodo schnappte sich eine Flasche unter Danners Stiefeln weg aus der Kiste. »Der dicke Ford mit der Ladefläche ist doch deiner?!«
»Wieso?«
»Das war so: Der Hesskamp ist wieder wie ein Bescheuerter gerast. Mit seiner Miele.«
Matthias Hesskamp raste mit einer Miele? War das nicht eine Waschmaschinenmarke? Ich konnte Bodo nicht folgen und überlegte, ob das an seinem Frühstücksbier oder meinem Denktempo lag.
»Hesskamp? Der Bulle?«
»Hat wohl zum Mittagessen einen Abstecher nach Hause gemacht. Die Tageswache ist ja hier direkt um die Ecke, im alten Amtshaus. Der hatte mindestens achtzig Sachen drauf.«
Ich ging mal davon aus, dass der Polizist nicht auf einer Waschmaschine unterwegs gewesen war. Allerdings hatte Hesskamp bisher nicht den Eindruck eines rücksichtslosen Verkehrsrowdys gemacht.
»Und?«, erkundigte sich Danner.
Bodo trippelte von einem Bein aufs andere, als müsste er das Bier dringend hinter den nächsten Busch bringen.
»Die dumme Sau hat mich umgeputzt. Da ist meine Vespa gegen deinen Kotflügel, mit dem Lenker …«
Danner nahm die Nägel aus dem Mund. »Und?«
»Ich hab schon den Ulli angehauen, der macht dir das Loch wieder zu.«
Vorn rechts im Kotflügel der Schrottschüssel klaffte eine schwarze Öffnung von etwa zehn Zentimetern Durchmesser. Weil das Blech so stark vom Rost zerfressen war, dass nur der Lack es noch zusammenhielt, hatte die Lenkstange von Bodos Motorroller es einfach
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