Das Fünfte Geheimnis
dachte Bird. Meine Worte haben Gewicht für sie. Außer für Cress und seine Fraktion, die mich zumindest teilweise haßt. Diosa, ich hoffe, es geht alles gut.
Niemand sprach. Cress hatte den Kopf etwas eingezogen, und die anderen Mitglieder des Wasser Councils sahen gedankenvoll aus.
»Sind wir uns im Prinzip einig, wie wir vorgehen wollen?« fragte Joseph.
»Wie können wir uns einig sein, wenn wir den genauen Plan nicht kennen«, fragte jemand.
»Das Prinzip lautet: Gewaltfreier Widerstand, keine Kooperation, keine Unterstützung.«
»Gut, dann laßt uns eine genaue Strategie festlegen, bevor wir alle zustimmen«, rief wieder jemand.
»Okay«, stimmte Joseph zu, »hat einer praktische Vorschläge oder Befürchtungen vorzubringen?«
»Der Vorschlag vom Verteidigungs-Ausschuß lautet, daß wir dem Feind in keiner Weise helfen, ihn nirgends unterstützen. Daß wir aber auch niemanden persönlich beleidigen, wenn wir uns Befehlen verweigern. Wenn sie einem von uns mit Gewalt drohen, wollen wir gewaltfreien Widerstand leisten. Davon abgesehen, stimmen wir Maya zu, daß wir ihnen einen Platz an unserem Tisch nicht nur anbieten, sondern das auch wirklich so meinen. Sicherlich ist hier noch genug Land, sollte einer von ihnen den Wunsch verspüren, sich hier anzusiedeln.«
»Noch Fragen zu diesem Vorschlag?« rief Salal, »oder Verbesserungsvorschläge?«
»Ich möchte etwas sagen«, meldete sich Cress. Er sah Bird an: »Du sagtest, wir müßten uns für den einen oder den anderen Weg entscheiden. Okay. Das Wasser Council ist nicht glücklich über den eingeschlagenen Weg, aber wir wollen uns nicht querlegen, wir achten den Willen der City. Keine Zusammenarbeit mit dem Feind also, nicht in großen und nicht in kleinen Dingen. Ihnen nicht nachgeben, sich aber auch nicht einschüchtern lassen.«
»Einverstanden«, sagte Bird ganz ruhig, während ihn leise Zweifel beschlichen. In der Theorie geht immer alles ganz leicht, dachte er, aber wie würde es wirklich laufen?
Cress blieb noch einen Augenblick stehen, seine Augen schweiften durch den Raum, suchten die Blicke der Menschen. Gesichter wandten sich ihm zu, Köpfe nickten. Zufrieden setzte Cress sich wieder.
»Noch Fragen?« ließ sich Salal vernehmen.
»Ja, ich habe eine«, sagte Bird. Seit Tagen hatte er über alle Möglichkeiten nachgegrübelt, was würde passieren, wenn... »Sie werden nach unseren Anführern suchen. Wir müssen ihnen welche präsentieren.«
»Wir haben einfach keine Führer«, sagte einer von Cress' Leuten.
»Das ist unglaubwürdig«, antwortete Holybear.
»Der Verteidigungs-Ausschuß meldet sich freiwillig«, bot Greta an.
»Das steht nicht zur Debatte, Greta«, entgegnete Bird, »du verstehst immer noch nicht, wie diese Leute denken. Nie, nicht in tausend Jahren glauben sie, daß unsere Stadt von einer Handvoll alter Weiber geführt wird. Sie werden nach den stärksten und größten Männern unter uns Ausschau halten. Finde einige, damit wir sie ihnen vorsetzen können.«
»Menschenopfer?«
»Wir brauchen Freiwillige«, wiederholte Bird.
»Was schlägst du vor?« meldete sich Salal.
»Wir bilden ein Pseudo-Council«, sagte ein alter Mann langsam, »es braucht gar nicht so groß zu sein.«
»Teufel ja«, stimmte Bird zu, »es ist viel glaubwürdiger, wenn die Führungsriege klein ist und nur ein Oberhaupt hat. Es sollten ein, zwei Frauen dabei sein. Das sieht besser aus. Das paßt zu ihren Vorstellungen über die Rolle von Frauen in unserer Gemeinschaft. Sie würden sich wundern, wenn keine Frau in der Führungsriege wäre.«
»Es sollten alle Rassen vertreten sein«, sagte Greta. »Nicht als Repression, sondern als Botschaft an alle jene unter unseren Feinden, die wir überzeugen wollen.«
Sie besprachen die genaue Zusammensetzung dieser vorgetäuschten Führungsriege. Dann fragte Salal wieder nach Freiwilligen.
»Ich«, Schwester Marie stand auf.
»Aber dir geht es nicht gut«, wandte Sage ein.
»Ich habe wenig zu verlieren.«
Alle schwiegen - und das Schweigen dehnte sich. Dann stand Bird langsam auf. Jetzt ist der Moment gekommen, dachte er. Wenn ich jetzt alles sage, kann ich nicht mehr zurück. Er konnte die Lippen kaum bewegen, aber er zwang sich, zu sprechen.
»Nehmt mich«, sagte er, »es war meine Idee, es ist nur richtig, wenn ich unter den Freiwilligen bin.«
Maya hatte die Hand ausgestreckt, als wollte sie ihn am Sprechen hindern. Aber mitten in der Bewegung war sie erstarrt. Eine Welle von Schmerz
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