Das fuenfte Imperium
wenn man Napoleon im Felde seinen Truppen voranreiten sieht, er und sein Pferd wären eins. In gewisser Weise sind sie das ja auch. Und wenn Napoleon seinem getreuen Pferd den Hals tätschelt ...«
»Sie müssen das nicht ausführen«, schlug ich vor. »Überhaupt ist es doch müßig, einem Pferd etwas erklären zu wollen. Napoleon hätte das bestimmt nicht getan.«
»Rama, ich verstehe deine Gefühle«, erwiderte Baal Petrowitsch. »Aber das Leben ist viel einfacher, als man zu denken geneigt ist. Es bietet zwei Wege. Wenn der Mensch Glück hat - unverschämtes Glück, so wie Hera und du -, dann wird er zum Pferd und darf Napoleon tragen. Die Alternative ist, ein Pferd zu sein, das sein Leben lang den Müll anderer Leute schleppt.«
»So viel zur Pferdezucht«, sagte Hera. »Kommen wir zur Sache.«
»Mit dem größten Vergnügen«, antwortete Baal Petrowitsch. »>Die rote Zeremonie besteht aus zwei Teilen. Zuerst saugt die Zunge das Bablos. Das ist das größte aller Mysterien in der Welt der Vampire. Doch wie gesagt, es widerfährt nicht uns, und wir wissen wenig darüber. Währenddessen werdet ihr so einiges durchmachen. Es kann sich unterschiedlich anfühlen, unangenehm ist es in jedem Fall. Wohl auch schmerzhaft. Das gilt es auszuhalten. Klar?«
Ich nickte.
»Dann wird der Schmerz vergehen, und der zweite Teil der Vorstellung beginnt. Physiologisch gesehen, läuft es so, dass die Zunge, wenn das Bablos aufgesaugt ist, eine Dosis Dopamen ins Hirn des Vampirs schleudert. Das ist ein sehr wirkkräftiger Neurotransmitter, der alle unangenehmen Begleiterscheinungen aus dem ersten Teil kompensiert.«
»Wozu muss man die noch kompensieren, wenn sie doch schon überstanden sind?«, fragte ich.
»Das ist richtig. Wir haben aber noch die unangenehme Erinnerung an sie. Und der von der Zunge abgesonderte Neurotransmitter ist so stark, dass er Gedächtnisinhalte austauschen kann, und mit den Inhalten sozusagen auch die emotionale Bilanz. So dass der bleibende Eindruck, den die rote Zeremonie beim Vampir hinterlässt, ein durchweg positiver ist. So positiv, dass sich bei vielen eine psychologische Abhängigkeit vom Bablos herausbildet, wir nennen es Durst. Das ist insofern paradox, als der Genuss von Bablos an sich ja doch mit einigen Schmerzen verbunden ist.«
»Was ist ein Neurotransmitter?«, wollte ich wissen.
»In unserem Fall ist es ein Wirkstoff, der eine Abfolge elektrochemischer Prozesse im Hirn hervorruft, die subjektiv als Glück wahrgenommen werden. Beim gewöhnlichen Menschen ist für vergleichbare Prozesse das Dopamin verantwortlich. Sein chemischer Name ist 3,4-Dihydroxyphenethylamin. Dopamen ist nicht nur dem Namen, sondern auch der Formel nach sehr ähnlich: dasselbe Stickstoffdioxid im rechten Teil, nur die Anteile Kohlenstoff und Wasserstoff mit anderen Koeffizienten. Im chemischen Sinne ist die Bezeichnung Dopamen unkorrekt, es ist eine Erfindung der 60er Jahre, ein Scherzname ursprünglich, zusammengesetzt aus dope und amen. Die Vampire haben seinerzeit die Chemie ihres Hirns intensiv erforscht. Später wurden die Arbeiten eingestellt. Aber der Name hat sich gehalten.«
»Warum wurden die Arbeiten eingestellt?«
»Die Große Maus hegte die Befürchtung, die Vampire könnten lernen, sich ihr Bablos selbst zu synthetisieren. Damit wäre die gute alte Ordnung aus den Fugen geraten. Wenn es dich interessiert, können wir das Thema vertiefen. Soll ich dir die Dopamenformel aufschreiben?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dopamen funktioniert auch so ähnlich wie Dopamin«, fuhr Baal Petrowitsch fort. »Nur dass es viel, viel stärker wirkt, so wie Crack im Vergleich zu Kokain. Von der Zunge direkt ins Hirn gesprüht, bildet es sogleich seine eigenen Neuronenketten, die sich von den üblichen Konturen des menschlichen Glücks unterscheiden. Darum wäre es durchaus nicht unwissenschaftlich zu sagen, dass der Vampir wenige Minuten nach Einnahme von Bablos ein unmenschliches Glück empfindet.«
»Ein unmenschliches Glück ...«, echote ich versonnen.
»Bestimmt nicht das, was du dir darunter vorstellst«, konterte Baal Petrowitsch. »Besser ist es, man hegt keine Erwartungen. Dann wird man auch nicht enttäuscht ... So. Genug der Vorrede. Wir können anfangen.«
Ich wechselte einen Blick mit Hera.
»Füße anheben und Arme zur Seite«, befahl Baal Petrowitsch.
Zögerlich nahm ich die geforderte Pose ein, stellte die Füße auf der Leiste ab, die unter dem Sessel hervorgefahren kam. Der Sessel war
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