Das fuenfte Imperium
grüne
Auto; es hatte etwas von einer gutbürgerlichen Kommode an sich, die die Zeichen der Zeit verstanden hat. Die Kommode stand weit hinter dem Rand der Asphaltfläche im Gras und war halb von den Büschen verdeckt, weshalb ich sie zuerst übersehen hatte.
»Soll ich hupen?«, fragte Iwan.
»Nicht nötig. Ich gehe hin und sehe nach.«
Die hintere Tür des Wagens stand einen Spalt offen. Ich sah drinnen etwas sich bewegen, hörte es lachen. Das musste Heras Lachen sein. Ich lief schneller. In diesem Moment ertönte hinter mir ein Hupton. Iwan hatte sich doch nicht beherrschen können.
Im Wageninneren tauchte Heras Kopf auf und daneben noch einer, ein Männerkopf, den ich nicht erkannte.
»Hera!«, rief ich. »Hallo!«
Doch die Wagentür, anstatt ganz aufzugehen, knallte plötzlich zu. Da ging etwas Rätselhaftes vor sich. Ich blieb stehen und sah zu, wie der Wind das an den Türgriff geknüpfte Georgsband zauste. Ich wusste nicht, ob weitergehen oder lieber umkehren. Ich war nahe davor, Letzteres zu tun, da ging die Tür wieder auf, und Mitra stieg aus dem Wagen.
Er sah derangiert aus: zerzauste Haare, die gelbe Fliege nach unten gerutscht. Und sein Blick war höchst feindselig -einen solchen Ausdruck hatte ich an ihm noch nie gesehen. Er schaute drein, als wollte er mich verdreschen.
»Spionierst du?«, fragte er.
»Nein, wieso?«, sagte ich. »Ich hab bloß das Auto gesehen.«
»Ich denke, wenn ein Auto auf die Art geparkt ist, müsste jedem Idioten klar sein, dass man sich besser nicht nähert.«
»Jedem Idioten vielleicht«, gab ich zur Antwort. »Aber ich bin kein Idiot. Und das da ist nicht dein Auto.«
Hera stieg aus. Sie nickte mir zu. Dabei lächelte sie zerknirscht und zuckte mit den Schultern.
»Pass mal auf, Rama«, sagte Mitra. »Wenn dich ... wie soll ich sagen ... die Einsamkeit quält ... Ich kann dir alle Präparate schicken, die Brahma hinterlassen hat. Das langt für ein Jahr. Dann bist du deine Probleme los und musst anderen nicht auf den Geist gehen.«
»Hör doch auf!«, sagte Hera und zupfte ihn am Ärmel.
Ich begriff, dass Mitra mich gezielt zu kränken suchte. Das verblüffte mich zutiefst. Statt Wut machte sich Verwirrung in mir breit. Ich muss dämlich ausgesehen haben. Die Hupe, die neuerlich hinter meinem Rücken gellte, kam mir zu Hilfe.
»Chef!«, brüllte Iwan, »Sie werden verlangt!«
Ich drehte mich um und ging zurück auf den Parkplatz.
Neben meinem Auto stand ein fremder Mann im schwarzen Anzug: klein und dick, mit aufgezwirbeltem Schnurrbart, wie ein alter Musketier.
»Baal Petrowitsch«, stellte er sich vor und drückte mir die Hand. »Solltet ihr nicht zu zweit sein? Wo ist Hera?«
»Kommt gleich.«
»Warum so blass?«, fragte Baal Petrowitsch. »Hast du Bammel?«
»Nein.«
»Musst du auch nicht. Bei der roten Zeremonie hat es seit vielen Jahren keine Zwischenfälle gegeben. Wir haben vorzügliche Technik ... Aha, Sie sind also Hera? Sehr angenehm. «
Hera kam allein, Mitra war beim Auto geblieben.
»Nun denn, Freunde«, sprach Baal Petrowitsch, »ich bitte, mir zu folgen.«
Er wandte sich um und schritt auf seine Reichskanzlei zu. Wir liefen hinterdrein. Hera vermied es, mich anzusehen.
»Was geht hier vor?«, fragte ich.
»Nichts«, sagte sie. »Um Himmels willen, bitte nicht jetzt, hörst du? Wenigstens diesen Tag sollten wir uns nicht verderben.«
»Du würdest mich lieber nicht sehen, nein?«
»Ich mag dich leiden«, sagte sie. »Viel mehr als Mitra, wenn du es genau wissen willst. Ehrenwort. Aber sag ihm das bloß nicht, verstanden?«
»Von mir aus«, sagte ich. »Aber sag, hast du ihn wenigstens in die Eier gekickt? Oder bleibt mir das Vorbehalten, weil du mich so gut leiden magst?«
»Das Thema möchte ich nicht diskutieren.«
»Wenn du mich leiden magst... wieso verbringst du dann deine Zeit mit Mitra?«
»Das ist gerade so eine Phase, wo ich ihn an meiner Seite brauche. Das kannst du nicht verstehen. Oder nur falsch.«
»Natürlich ... Kommen da noch andere Phasen? Wo du mich an deiner Seite brauchst?«
»Könnte sein.«
»Was für eine Seifenoper!«, sagte ich. »Ehrlich mal. Ich kann nicht glauben, dass du mir so was erzählst.«
»Es wird dir hinterher klar werden. Lass es dabei bewenden jetzt.«
Das Innere von Baal Petrowitschs Behausung entsprach der nordisch-totalitären Fassade in keiner Weise. Die Diele war im Stile der frühen Oligarcheneklektik eingerichtet: Schwerttragender Ritter zwischen deutscher Spieldose und
Weitere Kostenlose Bücher