Das fünfte Paar
Renovierung und ließ sie wieder genauso herrichten, wie sie gewesen war. Man kommt über diese Seitenstraße hin«, er tippte auf eine andere Fotografie, »die weniger als drei Kilometer westlich der Route Sixty verläuft und etwa sechs Kilometer westlich von der Anchor Bar, wo die beiden das letzte Mal lebend gesehen wurden.«
»Wer fand die Leichen?« fragte Marino, dessen Blick über den Fotowust wanderte.
»Der Küster. Er kam Samstag früh, um alles für die Sonntagsmesse vorzubereiten. Als er auf den Parkplatz fuhr, sah er ungefähr sechs Meter hinter dem Friedhofstor zwei Menschen liegen, die aussahen, als schliefen sie im Gras. Wer immer die beiden umgebracht hat, scherte sich nicht darum, ob sie schnell gefunden würden.«
»Am Freitag abend war in der Kirche nichts los?« erkundigte ich mich.
»Nein, Ma'am. Sie war abgeschlossen.«
»Ist sie zu der Zeit sonst geöffnet?«
»Gelegentlich. Manchmal treffen sich die Jugendgruppen dort, dann ist mal Chorprobe - all so was. Jedenfalls wäre es reichlich dumm, sich den Friedhof als Tatort auszusuchen, wenn man vorhätte, einen Mord zu begehen - weil man nie sicher sein kann, daß in der Kirche kein Betrieb ist: Das ist jede Woche anders - und jeden Tag. Deshalb dachte ich von Anfang an, daß der Mord sozusagen Zufall war. Es deutet nichts darauf hin, daß die Tat geplant war.«
»Der Mörder war bewaffnet«, erinnerte ich ihn. »Er hatte ein Messer und eine Handfeuerwaffe.«
»Die Welt ist voller Leute, die Messer und Schußwaffen bei sich tragen oder zumindest im Handschuhfach liegen haben«, hielt er mir entgegen.
Ich suchte die Fotos heraus, die die Leichen am Fundort zeigten, und studierte sie eingehend.
Die Frauen lagen weniger als einen Meter voneinander entfernt zwischen zwei schräg abgesunkenen, verwitterten Grabsteinen im Gras - Elizabeth mit dem Gesicht nach unten, die Beine leicht gespreizt, den linken Arm in Magenhöhe unter sich, den rechten ausgestreckt an der Seite. Sie war schlank, hatte braune Haare und war mit Jeans und einem weißen Pullover bekleidet, der im Nacken dunkle Flecken aufwies. Eine andere Aufnahme zeigte sie von vom. Der Pulli war blutdurchtränkt, die toten Augen starrten ins Leere. Der Schnitt durch ihre Kehle war nicht tief, die Schußwunde im Nacken nicht lähmend gewesen, erinnerte ich mich im Autopsiebericht gelesen zu haben. Den Tod hatte die Stichwunde in der Brust verursacht.
Jill war regelrecht verstümmelt worden. Sie lag auf dem Rücken, ihr Gesicht war so blutverschmiert, daß ich nicht erkennen konnte, wie sie einmal ausgesehen hatte - abgesehen von einer hübschen, geraden Nase und kurzen schwarzen Haaren. Wie ihre Freundin war auch sie schlank und trug Jeans. Ihr blaßgelbes Baumwollhemd war blutig, aus der Hose herausgezogen und bis zur Taille aufgerissen, wodurch man zahlreiche Verletzungen von Stichen sehen konnte, von denen einige durch den Büstenhalter gegangen waren. Unterarme und Hände wiesen tiefe Blessuren auf, der Schnitt durch die Kehle war auch hier flach und ihr wahrscheinlich erst beigebracht worden, als sie schon tot war oder zumindest fast tot.
Aus einem Grund waren die Fotos von unschätzbarem Wert: Sie zeigten etwas, das ich keinem Zeitungsartikel oder Protokoll hatte entnehmen können, die ich bei der Sichtung meines Materials im Büro gelesen hatte.
Ich schaute zu Marino hinüber. Unsere Blicke trafen sich. Ich wandte mich an Montana: »Wo sind ihre Schuhe und Strümpfe geblieben?«
14
»Das ist eine merkwürdige Geschichte«, sagte Montana. »Sie lagen in dem Volkswagen. Können Sie sich vorstellen, daß die Mädchen barfuß in das Motel gingen - oder die Sachen beim Verlassen des Motels in der Hand trugen?«
»War es eine warme Nacht?« fragte Marino.
»Das schon - aber man sollte doch annehmen, daß sie Strümpfe und Schuhe anzogen, bevor sie das Motel verließen - falls sie sie dort ausgezogen hatten.«
»Wir haben keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß sie überhaupt in dem Motel waren«, erinnerte ich ihn.
»Da haben Sie recht.«
Ob er die Serie in der Post gelesen hatte, in der stand, daß bei allen ermordeten Pärchen Schuhe und Strümpfe fehlten? Wenn ja, dann war ihm die Übereinstimmung mit diesem Fall offenbar noch nicht aufgefallen.
»Hatten Sie oft mit der Reporterin Abby Tunrbull zu tun, als sie den Mord an Jill und Elizabeth recherchierte?« erkundigte ich mich.
»Das kann man wohl sagen: Die Frau klebte an mir wie eine Klette. Folgte mir auf Schritt und
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