Das fünfte Paar
mich verlassen hatte, war ich oft nachts heruntergekommen, wenn ich nicht schlafen konnte, hatte die Kopfhörer aufgesetzt und mich mit Beethoven, Mozart oder Pachelbel umgeben. Als Abby und Marino eine Viertelstunde später hereinkamen, trugen sie die einfältig-zerknirschten Mienen eines Ehepaars zur Schau, das gerade einen heftigen Streit beigelegt hat.
»Wir haben uns ausgesprochen«, sagte Abby, und ich machte die Musik aus. »Ich habe alles erklärt, so gut ich konnte. Wir werden uns vertragen.«
»Freut mich zu hören.«
»Machen wir also zu dritt weiter«, meinte Marino. »Abby ist im Augenblick ja gar keine richtige Reporterin.«
Ich sah, daß diese Bemerkung sie nicht gerade begeisterte - aber sie protestierte nicht: Offenbar war sie tatsächlich entschlossen, Frieden zu halten.
»Wenn ihr Buch erscheint, ist die Sache wahrscheinlich schon vom Tisch«, fuhr er fort. »Darauf kommt es an: Daß endlich Schluß ist. Zwölf junge Leute hat der Kerl gekillt - wenn man Jill und Elizabeth zu den Pärchen dazurechnet.« Er schüttelte den Kopf. Sein Blick wurde hart. »Wer immer der Täter ist - er wird sich nicht aufs Altenteil zurückziehen. Er wird weitermachen, bis wir ihn fassen. Und in Fällen wie diesem ist das für gewöhnlich Glückssache.«
»Ich weiß nicht, ob das Glück ist - aber die Lincoln-Geschichte ist noch nicht zu Ende: Aranoff ist nicht der Mann vom Parkplatz in Williamsburg.«
»Sind Sie sicher?«
»Aranoff hat graue Haare - soweit noch vorhanden - wiegt um hundertachtzig Pfund und ist etwa einsdreiundsiebzig groß.«
»Haben Sie ihn kennengelernt?«
»Nein - aber seine Frau. Ich trat in Arbeitskluft auf und erzählte ihr, ich sei vom Elektrizitätswerk und müsse den Zähler ablesen. Wir kamen ins Reden. Sie bot mir eine Cola an. Wir saßen im Wohnzimmer, und ich bemerkte ein Familienfoto und fragte sie, wer der Mann darauf sei. Und so fand ich heraus, wie Aranoff aussieht: Er hat den Lincoln nicht gefahren - und er war auch nicht der Mann, der mich in Washington verfolgt hat.«
»Ich nehme nicht an, daß die Möglichkeit besteht, daß Sie sich verlesen haben«, wandte Marino sich an mich. »Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Aber wenn, wäre es ein unglaublicher Zufall: Ich lese an einem dunkelgrauen 1990er Mark Seven irrtümlich eine Nummer, die zu einem braunen 1990er Mark Seven gehört, der zur fraglichen Zeit im Gebiet Tidewater-Williamsburg unterwegs ist!«
»Sieht so aus, als müßte ich mich mal mit Mr. Aranoff unterhalten.«
Als Marino mich ein paar Tage später anrief, sagte er: »Ich hoffe, Sie sitzen.«
»Sie haben mit Aranoff gesprochen.«
»Bingo. Er verließ Roanoke am Montag, dem zehnten Februar, und graste Danville, Petersburg und Richmond ab. Am Freitag, dem vierzehnten, war er in der Gegend von Tidewater - und jetzt wird es interessant: Samstag, den fünfzehnten - das war der Tag, an dem Sie und Abby sich in Williamsburg trafen -, wurde er in Boston erwartet. Also stellte er am Freitag, dem vierzehnten, seinen Wagen am Newport News Airport auf dem Parkplatz für Dauerparker ab, flog nach Massachusetts und war dann dort per Leihwagen unterwegs. Gestern früh kam er wieder in Newport News an, stieg in seinen Wagen und fuhr nach Hause.«
»Wollen Sie sagen, daß jemand die Nummernschilder stahl, während der Lincoln auf dem Platz für Dauerparker stand, und sie später wieder zurückbrachte?«
»Wenn Aranoff nicht lügt - und ich wüßte nicht, weshalb er das tun sollte -, dann gibt es keine andere Erklärung, Doc.«
»Ist ihm irgend etwas aufgefallen, das darauf hindeutete, daß sich jemand an den Schildern zu schaffen gemacht hatte?«
»Nein. Wir gingen in seine Garage und schauten nach: Beide
waren ordnungsgemäß angebracht. Sie waren schmutzig - wie der Rest des Wagens - und verschmiert, was etwas bedeuten könnte oder auch nicht. Ich nahm keine Fingerabdrücke, denn wer immer sich die Schilder ausborgte, hatte sicherlich Handschuhe an. Daher könnten die Schmierer kommen. Es gab keine Spuren von Werkzeugen oder Gewaltanwendung.«
»Stand der Lincoln auf dem Parkplatz an einer schwer einsehbaren Stelle?«
»Aranoff sagte, er habe gerade noch so ziemlich in der Mitte einen Platz ergattert.«
»Wenn der Wagen mehrere Tage ohne Nummernschilder dort stand, hätte das doch jemandem auffallen müssen - einem Parkwächter oder einem anderen Autobesitzer«, meinte ich.
»Nicht unbedingt«, widersprach er. »Die Leute sind nicht so aufmerksam. Wenn
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