Das fünfte Paar
steril.«
»Wollen Sie sagen, daß die Knochenmarkstransplantation seine DNS-Werte veränderte?« fragte Wesley verblüfft.
»Was das Blut betrifft, ja. Seine Blutzellen wurden durch die Aplastische Anämie vollständig vernichtet. Eine Typuntersuchung ergab, daß sein Bruder als Spender geeignet war.«
»Aber Stevens und Gordons DNS können doch nicht gleich gewesen sein.«
»Nein - das ist nur bei eineiigen Zwillingen der Fall. Grob betrachtet, gab es Übereinstimmungen zwischen dem Blut aus Elizabeth Motts Volkswagen und dem von Spurrier - aber die DNS-Analyse mußte einen deutlichen Unterschied ergeben, denn das Blut aus dem VW stammt aus der Zeit vor der Knochenmarkstransplantation. Als ihm kürzlich für die Verdächtigenkartei Blut abgenommen wurde, bekamen wir damit gewissermaßen das von Gordon: Das Blut aus dem Volkswagen wurde also mit Gordons DNS verglichen. Aus diesem Grund möchte ich den Test noch einmal anhand von Gewebe aus Stevens Gehirn machen lassen, denn in anderen Zellen hat sich seine DNS durch die Transplantation nicht verändert. Knochenmark produziert Blutzellen - wenn man also eine Knochenmarksübertragung erhält, bekommt man damit die Blutzell n des Spenders. Aber bei Gehirn, Sperma und Milz bleibt di ursprüngliche DNS erhalten.«
»Erklären Sie mir bitte, was Aplastische Anämie ist«, sagte Wesley, während wir langsam weitergingen.
»Das Knochenmark produziert nicht mehr - es ist, als seien alle Blutzellen durch Bestrahlung zerstört.«
»Und was ruft diese Krankheit hervor?«
»Das weiß niemand - aber man glaubt, daß der Kontakt mit Pestiziden, Chemikalien, Strahlen und organischen Phosphaten eine Rolle dabei spielen kann. Auch Benzol wird damit in Verbindung gebracht. Steven hat in einer Druckerei gearbeitet - und Benzol ist eine Lösung, die zum Reinigen von Druckerpressen und anderen Maschinen benutzt wird. Wie sein Hämatologe mir sagte, war Steven den Dämpfen fast ein Jahr lang ausgesetzt - an jedem Arbeitstag.«
»Was sind die Symptome?«
»Mattigkeit, Kurzatmigkeit, Fieber, möglicherweise Infektionskrankheiten, Zahnfleisch- und Nasenbluten. Spurrier litt bereits an Aplastischer Anämie, als Jill und Elizabeth umgebracht wurden. Streß macht alle Krankheiten schlimmer - und die Entführung der beiden Mädchen muß ihn unter großen Streß gestellt haben. Es ist gut möglich, daß er ohne äußere Einwirkung Nasenbluten bekam und das Blut in Elizabeths Volkswagen daher stammt.«
»Wann ging er wegen seiner Krankheit das erste Mal zum Arzt?« fragte Wesley.
»Einen Monat nach der Ermordung der jungen Frauen. Es wurde festgestellt, daß die Leukozyten extrem niedrig waren - ebenso die Blutplättchen und das Hämoglobin. Wenn jemand nur wenig Blutplättchen hat, blutet er häufig.« .
Wesley sah mich ungläubig an. »Er beging diese Morde, als er so schwer krank war?«
»Man kann Aplastische Anämie eine ganze Weile haben, bevor sie dramatisch wird«, erklärte ich. »Manchmal wird sie überraschend bei einer Routineuntersuchung festgestellt.«
»Seine angeschlagene Gesundheit und der Kontrollverlust bei seinen ersten beiden Opfern veranlaßten ihn, eine Pause einzulegen«, dachte Wesley laut. »In den folgenden Jahren erholte er sich, frönte seinen Phantasien, durchlebte die Morde immer wieder und vervollkommnete seinen Modus operandi - und schließlich war er seiner sicher genug, um wieder zu töten.«
»Ja - das könnte eine Erklärung dafür sein, daß er erst nach so langer Zeit wieder zuschlug. Was wirklich in ihm vorging, werden wir nie erfahren.«
»Nein - das werden wir nicht«, stimmte Benton mir grimmig zu. Er blieb stehen, um einen alten Grabstein zu betrachten, bevor er weitersprach: »Ich habe auch ein paar Neuigkeiten: Wir haben Kataloge eines New Yorker Spezialversandhauses für Agentenzubehör bei Spurrier gefunden. Vor vier Jahren hat er sich dort eine Nachtsichtbrille bestellt. Außerdem haben wir in Portsmouth eine Waffenhandlung ausfindig gemacht, wo er weniger als einen Monat vor Deborahs und Freds Verschwinden zwei Schachteln Hydra-Shoks kaufte.«
»Warum hat er es getan, Benton?« fragte ich. »Warum hat er gemordet?«
»Das kann ich Ihnen nicht zufriedenstellend beantworten, Kay - aber ein junger Mann, der an der UVA mit ihm das Zimmer teilte, erzählte, daß Spurriers Verhältnis zu seiner Mutter wohl ziemlich gestört gewesen sei: Sie muß sehr kritisch und dominant gewesen sein und ihn ständig heruntergemacht haben. Einerseits
Weitere Kostenlose Bücher