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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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riß sie auf, bevor er klingeln konnte.
    »Ich habe Ihre Nachricht unterwegs bekommen«, sagte er. »Was ist denn los?«
    »Spurrier!« Ich packte seinen Arm. »Abby ist bei ihm! Sie hat ihre Waffe mitgenommen!«
    Ohne mir die Zeit zu nehmen, meinen Mantel anzuziehen, zerre ich ihn zu seinem Auto. Der Himmel war dunkel geworden, und es begann zu regnen, als Marino und ich auf der I-64 ostwärts fuhren. Jeder Muskel meines Körpers war angespannt, und mein Herz schlug wie ein Hammer.
    »He - entspannen Sie sich«, sagte Marino, als er an der Ausfahrt nach Colonial Williamsburg abbog. »Ob er beobachtet wird oder nicht - er ist mit Sicherheit nicht so schwachsinnig, sie anzurühren. Das wissen Sie doch auch. Er wird ihr nichts tun.«
    Vor dem Haus stand nur ein Wagen - ein schwarzer Jaguar.
    »Pat Harvey!« keuchte ich. »O Gott!«
    »Scheiße!« murmelte Marino und trat auf die Bremse. »Sie bleiben hier!« Mit erstaunlicher Schnelligkeit war er aus dem Auto und rannte durch den strömenden Regen. Mein Herzschlag dröhnte in meinen Ohren, als Marino, die Waffe schußbereit in beiden Händen, die Tür auftrat und im Haus verschwand. Und dann tauchte er plötzlich wieder auf und schrie etwas zu mir herüber, das ich nicht verstand. Ich sprang aus dem Wagen und lief los. Als ich bei ihm ankam, war ich naß bis auf die Haut. In der Halle roch es nach verbranntem Schießpulver.
    »Ich habe Hilfe angefordert«, sagte Marino. »Zwei sind da drin.« Er machte eine Kopfbewegung nach links, wo das Wohnzimmer lag, und hastete dann in den ersten Stock hinauf. Vor meinem inneren Auge blitzten die Fotos auf, die er mir mitgebracht hatte. Da stand der Couchtisch - und darauf lag ein Revolver. Unter Spurriers Körper hatte sich eine große Blutlache über den packten Boden ausgebreitet, und in einiger Entfernung lag ein zweiter Revolver. Der Mann lag mit dem Gesicht nach unten vor dem grauen Ledersofa, auf dem Abby zur Seite gesunken war. Sie starrte leicht schielend auf das Kissen unter ihrer Wange, die Vorderseite der blaßblauen Bluse war blutdurchtränkt. Einen Augenblick stand ich wie gelähmt - unfähig, etwas zu tun. In meinem Kopf brauste ein Orkan. Dann hockte ich mich neben Spurrier, und Blut floß um meine Schuhe, als ich ihn umdrehte. Er war tot - in Bauch und Brust geschossen.
    Ich stand auf und legte die Finger auf Abbys Halsschlagader: Kein Puls. Ich drehte sie auf den Rücken und versuchte, sie wiederzubeleben, doch Herz und Lunge hatten schon vor zu langer Zeit die Arbeit eingestellt, um sich noch daran zu erinnern, was von ihnen erwartet wurde. Ich nahm Abbys Gesicht in die Hände, spürte ihre Wärme, roch ihr Parfum, und dann schüttelten mich unkontrollierbare Schluchzer.
    Ich achtete nicht auf die Schritte - bis ich begriff, daß sie für Marino zu leicht waren. Ich schaute auf. Pat Harvey nahm den Revolver vom Couchtisch.
    Ich starrte sie mit aufgerissenen Augen an. Meine Lippen öffneten sich.
    »Es tut mir leid.« Sie richtete den Revolver auf mich. Der Lauf zitterte.
    »Mrs. Harvey!« Der Kloß in meinem Hals machte mir das Sprechen fast unmöglich. Ich streckte abwehrend die Hände vor. Sie waren voller Blut. Abbys Blut.
    »Bitte...«
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!« Sie trat ein paar Schritte zurück und senkte die Waffe ein wenig. Aus irgendeinem idiotischen Grund fiel mir auf, daß sie dieselbe rote Windjacke trug wie bei ihrem Besuch bei mir.
    »Abby ist tot«, brachte ich mühsam hervor.
    Pat Harvey reagierte nicht. Die dunkelblauen Augen wirkten in dem aschfahlen Gesicht schwarz.
    »Ich habe ein Telefon gesucht, um Hilfe zu rufen. Er hat keins.«
    »Bitte nehmen Sie die Waffe runter.«
    »Er hat es getan. Er hat meine Debbie umgebracht. Er hat Abby umgebracht.«
    Marino! dachte ich. Wo sind Sie, um Himmels willen?
    »Mrs. Harvey - es ist vorbei! Sie sind tot. Bitte legen Sie die Waffe weg. Machen Sie es nicht noch schlimmer!«
    »Es kann nicht schlimmer werden.«
    »Das ist nicht wahr! Bitte hören Sie mir zu!«
    »Ich bin am Ende«, sagte sie tonlos.
    »Bitte legen Sie die Waffe weg! Bitte!« Ich stand auf, als sie den Revolver erneut hob.
    »Nein!« schrie ich, als ich erkannte, was sie vorhatte.
    Sie richtete den Lauf auf ihre Brust. Ich machte einen Satz auf sie zu. »Mrs. Harvey! Nein!«
    Die Explosion riß sie fast von den Füßen. Sie taumelte und ließ den Revolver fallen. Ich versetzte ihm einen Tritt, und er trudelte über den glatten Holzboden. Pat Harveys Knie gaben nach. Sie wollte sich

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