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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nicht in die Augen. »Ich muß noch einiges erledigen.«
    Er folgte mir in die Küche und setzte sich an den Tisch, während ich Paprikaschoten in dünne Streifen schnitt und zu den Zwiebeln tat.
    »Sie wissen, wo der Bourbon steht«, sagte ich, während ich die Gemüsemischung umrührte. Er stand auf und ging zur Bar.
    »Wenn Sie schon dabei sind, machen Sie mir doch bitte einen Scotch mit Soda.«
    Er antwortete nicht, aber als er zurückkam, stellte er mir ein Glas neben den Herd und lehnte sich an den Fleischerblock. Ich schüttete die Paprika-Zwiebel-Mischung zu den Tomaten, die in einem flachen Topf schmurgelten, und gab Würstchenscheiben in die freigewordene Pfanne.
    »Leider habe ich keinen zweiten Gang zu bieten«, sagte ich.
    »Scheint mir bei der Portion auch nicht nötig.«
    »Milchlamm in Weißwein, Kalbsbrust oder Schweinebraten wären perfekt.« Ich füllte einen Topf mit Wasser und stellte ihn auf den Herd.
    »Mein Lamm ist sensationell - aber dafür muß ich Ihnen einen Gutschein geben.«
    »Vielleicht sollten Sie aufhören, Leichen aufzuschneiden, und ein Restaurant eröffnen.«
    »Ich nehme an, das sollte ein Kompliment sein.«
    »Na klar.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Und wie heißt das Ganze?« fragte er mit einem Nicken in Richtung Herd.
    »Ich nenne es gelbe und grüne Bandnudeln mit Paprikaschoten und Würstchen.« Ich gab die Wurstscheiben in die Sauce. »Aber wenn ich Sie beeindrucken wollte, würde ich es "Le Papardelle del Cantunzein" nennen.«
    »Machen Sie sich keine Mühe - ich bin auch so sehr beeindruckt.«
    »Marino.« Ich warf ihm einen Blick zu. »Was ist heute vormittag passiert?«
    Er antwortete mit einer Gegenfrage: »Haben Sie irgend jemandem erzählt, daß Vessey Ihnen sagte, der Schnitt an Deborahs Finger stamme von einer Klinge mit Sägeschliff?«
    »Bis jetzt nur Ihnen.«
    »Es ist mir ein Rätsel, wie Hilda Ozimek den Rastplatz, zu dem Pat Harvey sie mitnahm, mit einem Jagdmesser mit Sägeschliff in Verbindung bringen konnte.«
    »Ich kann es auch nicht begreifen«, stimmte ich zu und schüttete die Nudeln ins kochende Wasser. »Aber wie heißt es so schön: Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde...« Eine Weile hingen wir unseren Gedanken nach. Ich rieb Parmesan, und als die Nudeln gar waren, holte ich die Schüssel aus dem Backrohr, wo ich sie vorgewärmt hatte, füllte die abgeseihten Nudeln hinein und goß die Sauce darüber.
    »Ich habe Artischockenherzen im Kühlschrank«, fiel mir ein, als wir uns hingesetzt hatten. »Aber keinen Salat. Doch eingefrorenes Brot ist da.«
    »Brauch' ich alles nicht«, sagte er mit vollem Mund. »Es schmeckt großartig. Wirklich.«
    Ich hatte erst ein paar Bissen gegessen, als sein Teller bereits leer war und er sich ein zweites Mal bediente. Er aß mit einem Heißhunger, als habe er eine Woche gehungert. Wahrscheinlich kam das der Wahrheit ziemlich nahe. Er erinnerte mich an ein verlassenes Kind: Er war schlampig, ja sogar schmuddelig gekleidet, das Haar ungepflegt - sein ganzes Ich bettelte um Liebe und Fürsorge, was mich ebenso abstieß wie bekümmerte. Wie konnte ein erwachsener, intelligenter Mann zulassen, daß er verwahrloste wie ein Haus, in dem niemand mehr wohnte? Etwas lag offensichtlich entschieden im argen.
    Ich stand auf, holte eine Flasche Rotwein aus dem Weinregal und goß ein. »Wessen Foto haben Sie Hilda gezeigt? Eines von Ihrer Frau?«
    Er lehnte sich zurück und wandte den Blick ab.
    »Mir ist aufgefallen, daß Sie seit einiger Zeit völlig verändert sind«, bohrte ich sanft, aber beharrlich weiter.
    »Was sie sagte, traf mich wie ein Schlag«, antwortete er. »Was Hilda sagte?«
    »Ja.«
    »Möchten Sie darüber sprechen?«
    »Ich habe noch mit niemandem darüber gesprochen.« Er griff nach seinem Weinglas. Seine Züge waren angespannt, und in seinen Augen stand Schmerz. »Sie ist letzten. November nach New Jersey zurückgegangen.«
    »Ich glaube, Sie haben mir nicht einmal gesagt, wie sie heißt.«
    »Na, das nenne ich eine mitfühlende Reaktion«, murmelte er sarkastisch.
    »Sie ist berechtigt: Sie sind sehr verschlossen.«
    »War ich schon immer - aber mein Job hat es noch verstärkt. Ich bin seit jeher gewohnt, daß die Kollegen bei mir über ihre Ehefrauen oder Freundinnen oder Kinder jammern. Sie weinen sich an meiner Schulter aus, als sei ich ihr großer Bruder. Aber als ich selbst mal einem Burschen mein Herz ausschüttete, war die Geschichte gleich im ganzen Police Department rum. Und so

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