Das fünfte Paar
den Zwanzigern und keine Teenager. Und warum sollte der Mörder danach fünf Jahre Pause machen?«
»Da stimme ich dir zu«, nickte ich. »Dieser Abstand paßt nicht in das Bild eines typischen Serienmörders. Und auch der Modus operandi ist hier anders - ebenso wie die Auswahl der Opfer.«
»Warum bist du dann so daran interessiert?« Sie nippte an ihrem Drink.
»Ich suche nach Strohhalmen - und außerdem beunruhigen mich die Fälle. Es ist doch ungewöhnlich, daß zwei Menschen gleichzeitig verschleppt und umgebracht werden. Es gibt keine Anzeichen einer Vergewaltigung. Und die beiden wurden in dieser Gegend getötet - wie die Pärchen.
»Und ein Messer und eine Schußwaffe wurden benutzt«, ergänzte Abby.
Also wußte sie über Deborahs Obduktionsbefund Bescheid. »Es gibt einige Parallelen«, erklärte ich vage.
Sie sah mich zweifelnd an - aber nicht uninteressiert. »Was willst du wissen, Kay?«
»Alles, woran du dich erinnerst. Alles.«
Sie spielte nachdenklich mit ihrem Glas. »Elizabeth arbeitete sehr erfolgreich im Verkauf einer ortsansässigen Computerfirma«, begann sie schließlich. »Jill hatte gerade ihr Jurastudium an der William and Mary abgeschlossen und eine Anstellung in einer kleinen Kanzlei in Williamsburg bekommen. Ich habe die Version, daß die beiden mit einem schrägen Typen aus der Bar zu einem flotten Dreier" in das Motel fuhren, nie geglaubt. Keine der beiden machte einen solchen Eindruck. Außerdem befand sich Blut auf dem Rücksitz ihres Wagens. Die Blutgruppe paßte weder zu Elizabeth noch zu Jill.«
Wieder einmal erstaunte mich Abbys Wissen: Irgendwie war sie an die serologischen Befunde gekommen!
»Ich nehme an, das Blut stammte von dem Täter. Es war eine Menge, Kay: Ich habe den Wagen gesehen. Es sah aus, als sei jemand schwer mit einem Messer verletzt worden. Aber wenn es tatsächlich der Mörder war - wie wäre das zu erklären? Die Polizei stellte die Theorie auf, die Frauen hätten ihn im Anchor kennengelemt. Wenn er mit ihnen in ihrem Wagen wegfuhr - wie kam er dann nach den Morden zu seinem eigenen zurück?«
»Das hängt davon ab, wie weit es von dem Motel zu der Bar ist. Könnte er zu Fuß gegangen sein?«
»Das Motel liegt gut vier Meilen von der Anchor Bar entfernt - von der ehemaligen, genauer gesagt, denn das Lokal gibt es nicht mehr. Die Frauen wurden das letzte Mal um zehn Uhr abends in der Bar gesehen. Wenn der Täter sein Auto dort auf dem Parkplatz stehengelassen hätte, wäre es bei seiner Rückkehr wahrscheinlich das einzige gewesen. Ganz schön riskant: Ein Cop hätte darauf aufmerksam werden können - oder zumindest der Geschäftsführer, wenn er zusperrte.«
»Vielleicht ist er ja mit seinem eigenen Wagen zu dem Motel gefahren«, meinte ich.
»Aber wann stieg er dann in den der Mädchen? Die Annahme, daß er zusammen mit den beiden in dem Motel war und sie anschließend zwang, mit ihm zum Friedhof hinauszufahren, erschien mir von Anfang an absurd. Warum die Umstände - das Risiko? Sie hätten auf dem Parkplatz doch anfangen können, zu schreien - oder sich zu wehren. Weshalb brachte er sie nicht in dem Zimmer um?«
»Hat sich denn bestätigt, daß die drei dort in einem der Zimmer waren?«
»Nein. Ich sprach mit dem Nachtportier, der an dem fraglichen Abend im Palm Leaf Dienst hatte. Es ist ein billiger Schuppen nahe der Route 60 in Lightfoot. Nicht gerade überlaufen. Also kann man davon ausgehen, daß er sich an die wenigen Gäste erinnerte. Tat er aber in unserem Fall nicht. Doch er wußte genau, daß niemand abgereist war, ohne den Schlüssel abzugeben. Wenn der Mörder die jungen Frauen nach dem Aufenthalt in dem Motel zwang, mit ihm zum Friedhof zu fahren, hatte er vorher wohl kaum Gelegenheit, den Schlüssel abzuliefern - und nach den Morden konnte er es nicht wagen, denn angesichts des Gemetzels, das er anrichtete, mußte er über und über voller Blut sein.«
»Welche Theorie hattest du denn, nachdem du die Fälle recherchiert hattest?«
»Dieselbe wie heute«, antwortete sie. »Ich glaube nicht, daß die beiden in der Bar auf ihren Mörder trafen. Es muß nach dem Verlassen des Lokals gewesen sein.«
»Und wie?«
Abby runzelte die Stirn und rührte wieder nachdenklich in ihrem Drink. »Keine Ahnung. Sie waren nicht die Art Frauen, die einen Anhalter mitgenommen hätten - und schon gar nicht um diese Zeit. Daß Drogen im Spiel waren, hielt ich gleich für ausgeschlossen. Weder Jill noch Elizabeth hatten Koks, Heroin oder ähnliches
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