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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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lachend:
    „Sieh an, ein Flic! Wie geht’s dem
lausigen Privatdetektiv?“
    Ich ergriff die Hand, die er mir
entgegenstreckte. Gut gehe es mir, antwortete ich, obwohl ich niemanden kannte,
der das Gegenteil von sich behauptet hätte.
    „Was ist denn mit deinem Gesicht los?“
erkundigte er sich. „ Hat dir einer deiner Klienten mal so richtig die Fresse poliert?“
    „Tut mir leid, daß ich dich
enttäuschen muß“, gab ich zurück, „aber deine liebevolle Sorge ist unbegründet.
Wie du vielleicht schon aus der Zeitung erfahren hast, bin ich tot. Und meine
Physiognomie ist eine Spezialanfertigung für Gespenster, die Ausgang haben.“
    Ich fügte hinzu, daß ich nichts gegen
ein ernsthaftes Gespräch einzuwenden hätte. Er war ebenfalls dafür. Wir gingen
in sein Büro. Obwohl er mich nicht danach gefragt hatte, gab ich ein paar ebenso
kurze wie falsche Erklärungen zu meinem Aufenthalt in Marseille ab. In aller
Freundschaft, sozusagen. Nach einer Viertelstunde fand er für mich ein Eckchen,
wo ich mein müdes Haupt niederlegen konnte.
    Bevor ich mich verabschiedete,
frischte ich noch alte Bekanntschaften mit einigen seiner Mitarbeiter auf. So
erfuhr ich auch, daß es bei dem Einmarsch der deutschen Truppen trotz des
verbreiteten Optimismus’ ein paar Zwischenfälle gegeben hatte. Im Alten Hafen
zum Beispiel war ein Haus belagert worden, und ein Panzer hatte anstelle des
Gebäudes nur noch ein großes Loch hinterlassen. Eine so friedliche Atmosphäre,
dachte ich, war eine gute Vorbedingung für die dynamischen Energien eines
Nestor Burma. Das brachte mich wieder auf Robert Beaucher. Ich verließ die Vielfrucht und sauste zur Wohnung meines geheimnisvollen Auftraggebers.
    Unter Umgehung der Concierge gelangte
ich zur Treppe. In der zweiten Etage läutete ich an der Tür links. Der Mann,
der mir öffnete, war nicht Beaucher. Ich war verdutzt. Der Kerl vor mir war es
nicht weniger, machte aber ohnehin nicht den Eindruck, als habe er das
Schießpulver erfunden. Er sah kränklich aus mit seinem bläßlichen Teint und den
Bartstoppeln am Kinn, die sein Gesicht auch nicht grade verhübschten.
    „Ich wollte eigentlich zu Monsieur
Beaucher“, sagte ich.
    Er machte kugelrunde Augen.
    „Beaucher? Sie müssen sich irren. Hier
wohnt niemand dieses Namens. Ich heiße Maillard.“
    „Hören Sie, Monsieur Maillard“, sagte
ich und stellte einen Fuß in die Tür, die er mir vor der Nase zuschlagen
wollte. „Es wäre mir höchst unangenehm, wenn ich annehmen müßte, daß ich nicht
ganz bei Trost bin. Lassen Sie mich in die Wohnung, und ich sage Ihnen, ob ich
hier vor ein paar Tagen nicht einen gewissen Robert Beaucher besucht habe.“
    Um meinen Worten den nötigen Nachdruck
zu verleihen, schob ich den überraschten Mann zur Seite und trat ein. Kein
Zweifel. Es war die Wohnung, in der mich mein Klient empfangen hatte. Ich
dachte einen Augenblick nach, und genau in diesem Augenblick schlug sich mein
unfreiwilliger Gastgeber an die Stirn.
    „Bin ich blöd!“ rief er aus. „Wann
waren Sie hier, sagten Sie?“
    Ich verriet ihm das genaue Datum.
    „Ja, ja“, murmelte er, „da war ich
nicht hier...“
    Und er erklärte mir, daß er für
vierzehn Tage habe verreisen müssen. Da er alleine wohne und außerdem nicht
reich sei, habe er sich entschlossen, seine Wohnung für diesen Zeitraum an
einen Freund unterzuvermieten. Freund sei vielleicht nicht das richtige Wort...
(Streicheln der Bartstoppeln). Er habe den Mann im Café Riche kennengelernt,
vor einigen Monaten. Sie hätten Ansichten und Geschmack geteilt, warum also
nicht auch die Wohnung? Eine eher dürftige Basis für eine Freundschaft. Jetzt
frage er sich...
    „Wissen Sie, von meinen persönlichen
Dingen ist nichts verschwunden. Aber jetzt, im nachhinein, komme ich doch ein
wenig ins Grübeln. Dieser Mann, den Sie Beaucher nennen... Ich habe ihn unter
einem anderen Namen kennengelernt.“
    „Ach! Und unter welchem?“
    Es war ziemlich unwichtig, welchen
Namen er mir nennen würde. Dennoch tat ich so, als sei ich ganz versessen
darauf, ihn zu hören.
    „Barnabé“, sagte er, „Robert
Barnabé... Scheint ja ‘n komischer Heiliger zu sein, nicht wahr?“
    „Wer ist das nicht?“ fragte ich
zurück. „Aber sagen Sie, wann genau sind Sie zurückgekommen?“
    „Am zehnten.“
    „Und war Barnabé-Beaucher noch in
Ihrer Wohnung?“
    „Nein. Er war tags zuvor ausgezogen,
wie mir die Concierge gesagt hat. Hat ihr die Schlüssel gegeben und das Geld
für die Miete

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