Das fünfte Verfahren
versicherte mir Rouget und
gab dem Rothaarigen ein Zeichen. Dieser verließ den Raum. „Mit vollem Mund
spricht es sich besser, nicht wahr? Zwar nicht sehr höflich, aber wir haben
keine Zeit zu verlieren.“
„Nein, wirklich nicht. Wenn du
wüßtest, wie sehr es brennt... Du wärst längst schon erstickt!“
Der Rothaarige kam mit einer Flasche
Wein gleicher Farbe und etwas zu essen zurück. Wir zwei ließen es uns
schmecken. Die anderen beiden mußten schwören, daß sie das Geheimnis, das ich
ihnen verraten würde, nicht weiterverraten würden. Dann tischte ich ihnen ein
gut gemixtes Märchen auf: ein Drittel Wahrheit, ein Drittel Lüge und ein
Drittel Verschwiegenes. Ein anständiger Cocktail, hübsch anzuhören und gut
verdaulich. Bericht und Mahlzeit lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das
unentschieden endete.
„Soso, Mademoiselle Olga“, sagte ich
dann und trank einen großen Schluck Wein, „Sie kannten also diesen Bernard?“
„Ich kenne auch Jackie Lamour“,
erwiderte sie.
Mir kam der Wein beinahe durch die
Nase als Sprudelwasser wieder raus.
„Ich hab dir doch gesagt, daß Olga
Tänzerin ist“, erinnerte mich Rouget. „Sie ist bei den Amsel-Girls .“
„Ich war bei der Truppe“,
korrigierte sie ihn, zu mir gewandt. „Denn im Moment... Wegen der verdammten
Ausgangssperre hat der Inhaber das Cabaret vorübergehend geschlossen.“
„Wir werden schon was Neues für Sie
finden“, sagte ich großzügig. „Doch erst mal: Parlez-moi d’amour! Ich
meine Jackie Lamour... Und erzählen Sie mir auch von Bernard.“
„Na ja“, begann sie, während sie mit
dem Finger Kreise auf ihre Schenkel zeichnete, „Bernard kam häufig ins Cabaret.
Wenn er nicht unter den Gästen saß, dann hockte er in Jackies Garderobe rum.
Ich glaube, sie waren sehr eng liiert...“
Olga zögerte.
„Ich hoffe, wir reden von demselben
Mann“, sagte sie. „Wie sah er aus, Ihr Beaucher-Bernard?“
Ich beschrieb meinen toten
Auftraggeber.
„Ja, das ist er!“ bestätigte sie. „Das
Gesicht ein wenig jüdisch?“
„Ja“, sagte ich lachend. „Ein wenig
jüdisch.“
„Gar kein Zweifel“, mischte sich der
Rothaarige ein. „Der Kerl ist mir zwei- oder dreimal über den Weg gelaufen, als
ich dich in der Amsel besucht habe.“
„Also, Identifikation gelungen“,
stellte ich fest. „Fahren Sie fort, Olga.“
„Nun, das ist schon alles“, sagte die
Tänzerin. „Besser kenne ich Jackies Freund auch nicht. Außer, daß es in den
letzten Tagen zwischen den beiden geknallt hat.“
„Erzählen sie mir das etwas genauer?“
fragte ich erwartungsvoll.
Um sie in Schwung zu bringen, fügte
ich hinzu:
„Ich weiß noch nicht so genau, in
welchen Fall ich da verwickelt bin; aber meine Intuition sagt mir, daß am Ende
‘ne Menge Zaster wartet. Sie können was davon abkriegen. Von dem Geld könnten
Sie sich dann ein eigenes Orchester kaufen und die Amsel auf eigene
Rechnung wiedereröffnen.“
Das versetzte sie in den richtigen swing ,
und sie legte los: „Ich muß dazu sagen, Jackie kann ‘ne richtige Giftnudel
sein. Immer hat sie was zu meckern. Ist nicht mal ‘ne schlechte Kollegin. Sie
ist überhaupt keine Kollegin. Frauen wie ich existieren für sie nicht. Wir sind
Luft für sie. Na schön... Also, neulich, da hat sie sich etwas erkältet. Sie
tanzt schnell ihre Nummer runter — früher als üblich, Gäste waren kaum da — und
fahrt nach Hause. Der Boß hat uns angeschnauzt, als wenn wir für den Schnupfen
seines Stars verantwortlich wären...“
„Bernard war bei ihr, nicht wahr?“
„Er ist sozusagen nicht von ihrer
Seite gewichen. Sie sind zusammen weggefahren. Am nächsten Tag ist Jackie nicht
zur Arbeit gekommen. Wieder ‘n Anschiß vom Boß. Er war wütend und fürchtete,
sie wäre zur Konkurrenz gegangen. Hat nach ihr geschickt, aber sie war nicht zu
Hause. Da ging das Theater erst richtig los! Bis die Entwarnung kam: Der Star
kehrte zurück, allerdings mit einer Stinklaune, das können Sie mir glauben! Sie
hat gar nicht mehr aufgehört zu schimpfen...“
„Wann genau war das?“
„Am Dienstag.“
„Also am zehnten... Und hat sie vor
Ihnen geschimpft?“
„Nein, in ihrer Garderobe. Aber unsere
Garderoben liegen direkt nebeneinander, und die Wände sind aus Papier.“
„Auf wen oder worauf war sie denn
eigentlich böse?“
„Den ersten Teil hab ich nicht richtig
mitgekriegt. Es war die übliche Nörgelei, nur vielleicht etwas heftiger. Viel
heftiger... sehr viel heftiger,
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