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Das fünfte Verfahren

Das fünfte Verfahren

Titel: Das fünfte Verfahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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weiterspielen,
machte daraus eine Ehrensache. Nestor ist nun mal so. Ein komischer Heiliger?
Meinetwegen.
    Wenn man ohne Netz über ein Drahtseil
spaziert, muß man sein Blut auf Polartemperatur bringen. Ich kehrte zu meiner
Beobachterhaltung zurück. Was hätte ich nicht dafür gegeben, diese verdammten
Briefe zu lesen, und zwar so, wie sie gelesen werden mußten! Ob Dédé den Code
kannte? Und Jackie? Ganz sicher. Und Rotkartoffel? Noch sicherer! Meine Chance
mit Dédé würde ich in den nächsten Tagen bekommen. Wenn der Kommissar ihn
allerdings ausquetschte und man nur durch ihn an die Tänzerin herankam, dann
sah es düster für mich aus. Und wenn... Nanu, wußte Faroux nicht, wie spät es
war?
    „Die Sonne ist schon lange
untergegangen“, bemerkte ich.
    „Was meinen Sie, warum ich Sie
mitgenommen habe?“ lachte Faroux. „Endlich einmal sind Sie zu etwas nütze. Die
Ausgangssperre wird Sie doch wohl nicht abschrecken, oder? Sie besuchen jetzt
André Clément und überprüfen, ob das wirklich der Mann ist, den Sie zusammen
mit Maillards Mörder gesehen haben... und ob letzterer, Paulot, wie er genannt
wird, sich bei seinem Halbbruder aufhält. Ihnen wird schon etwas einfallen, um
ihm oder beiden einen Spaziergang an der frischen Luft schmackhaft zu machen.
Und wenn die Gebrüder Clément erst mal draußen sind, werden wir uns um sie
kümmern.“
    Darauf fiel mir keine Antwort ein.
Florimond Faroux hatte also die Absicht, mit Nestor ein wenig herumzuspielen.
War mir gar nicht unrecht. So hatte ich das Vergnügen, Dédé als erster unter
vier Augen sprechen zu können.
    Mit quietschendem Bremsen hielt der
Wagen, nachdem Bonvalet „dort!“ gerufen hatte.
     
    * * *
     
    Die Straße war gar nicht häßlich, und
das Haus, vor dem wir gehalten hatten, beinahe hübsch, soweit die Dunkelheit
ein Urteil darüber erlaubte. Die Haustür war nicht abgeschlossen. Wir gingen
zusammen hinein, ich ließ die Flics im Flur stehen und machte mich auf die
Suche nach der Concierge. Ich klopfte an das Logenfenster, erhielt jedoch keine
Antwort. Das mußte wohl keine sehr gewissenhafte Person sein, keine von der
Sorte, die nicht von ihrem Posten weichen. In diesem Augenblick fand jemand den
Lichtschalter und betätigte ihn. So konnte ich eine Reihe von Briefkästen
untersuchen. Auf einem stand der Name André Clément mit der Angabe 3.
rechts. Ich stieg die Treppe hinauf. Die Stufen waren verstaubt, das Geländer
feucht.
    In der 3. rechts hatte ich
genausowenig Erfolg wie an der Conciergeloge. Ich konnte meinen Finger noch so
heftig auf den Klingelknopf drücken, niemand kam, um mir zu öffnen. Ich
klopfte, doch das Resultat blieb dasselbe: null. Offensichtlich war niemand zu
Hause. Eigentlich überraschte mich das nicht. Dédé sah nicht so aus, als ginge
er nach Sonnenuntergang schlafen. Und Rotkartoffel hatte ihn vorgestern abend
auch zu noch späterer Stunde nicht angetroffen. Ich sagte mir: Da Florimond
Faroux mich benutzt und mir sozusagen freie Hand gelassen hat, muß ich das
ausnutzen. Also begann ich, ein wenig an dem Schloß herumzufummeln. Der Erfolg
ließ nicht lange auf sich warten.
    Die kleine Wohnung, die ich betrat,
hätte wirklich gemütlich sein können. Wenn nur nicht dieses unbeschreibliche
Durcheinander gewesen wäre! Auf einem Tisch stand ein Paar Schuhe neben einer
Flasche Aperitif und einem Aschenbecher mit Sprung. Schmutzige Socken lagen auf
einem Stuhl. Der noch warme Ofen enthielt ungewöhnlich viel Asche. Wohl das
Ergebnis einer eiligen Papierverbrennungsorgie. Auf einem Wandbrett über dem
Sofa stand ein Telefon. Ich hob den Hörer ab, legte mein Ohr an die Muschel und
horchte. Der Apparat funktionierte.
    Ich trank einen Schluck aus der
Flasche, stopfte meine Pfeife und machte mich daran, den Ort zu inspizieren. Es
sah ganz danach aus, daß Dédé sich aus dem Staub, der überall lag, gemacht
hatte. Das paßte mir ganz und gar nicht.
    Ich schnappte mir einen Schürhaken,
stocherte ein wenig in der Ofenasche und fand nichts. Der Papierkram war
sorgfältig verbrannt worden. Als ich mich schon wieder aufrichten wollte,
entdeckte ich in der Asche einen Lederhandschuh. Ich nahm ihn an mich. Am
Mittelfinger, dort, wo ein Ring gesessen haben konnte, war das Leder gerissen.
Ich bemerkte auch einen verdächtigen Fleck, der nach Blut aussah. Im Innern des
Handschuhs stand: Waldinger, Berlin. Ich steckte den Fund in meine
Tasche und ging zum Telefon.
    Ich rief das Moderne an und
verlangte Marc Covet. Man ließ

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