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Das fuenfunddreißigste Jahr

Titel: Das fuenfunddreißigste Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Truschner
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Eigentumswohnung?« Obwohl ich für ihren Kinderwunsch Verständnis habe – wäre es mir von der Natur gegeben, ein Kind auszutragen und zu gebären, würde ich diese Erfahrung mit ziemlicher Sicherheit auch machen wollen –, meide ich die Nähe dieser Frauen und weiche ihren Blicken unweigerlich aus, weil das vermeintlich Offene und Freundliche an ihnen nur eine Tarnung ist, hinter der sich eine komplexe, erkennungsdienstliche Apparatur verbirgt, die das Büro, das Fitnessstudio und den Partykeller nach potenziellen Befruchtern und Versorgern abscannt (so zumindest kommt es mir vor). Alles Kennenlernen und Flirten bedeutet für den Augenblick gar nichts, es dient lediglich der Zeugung und Aufzucht und bereitet dieser den Boden – ein Eindruck, der, wenn man ihn vor Frauen vertritt, als kalt und gefühllos gilt, auch wenn die Frauen, wenn man sie später einmal zufällig mit ihren Kindern trifft, manchmal sogar darüber lachen können und zugeben, dass er durchaus der Wahrheit entspricht.
    Was Sabine betrifft, hatte ich nie den Eindruck gehabt, dass sie von einer übermächtigen Allianz aus Fortpflanzungstrieb und Mutterinstinkt gepeinigt worden wäre oder dass sie ihre Männer unter dem Aspekt ihrer Familientauglichkeit ausgewählt hatte. Ihre – wenn auch seltenen – Beziehungen zeichneten sich nicht durch Kalkül oder gar einen großen Plan aus, der allen vermeintlichen Zufällen und situationsbedingten Verwicklungen zugrunde lag. Im Gegenteil: Sie traf auf Männer, wie man auf ein Auto auffährt, weil man einen Augenblick zu lang auf das Display des Handys geschaut hat. Sie stürzte in Beziehungen, wie man in einer Sommernacht vom Fünfmeterbrett ins dunkle Wasser stürzt, nachdem man zuvor betrunken und unter kindischem Gelächter ins geschlossene Schwimmbad eingedrungen war. All das erschien mir zuerst so oberflächlich und vergnügungssüchtig wie meine eigenen Affären, später ziellos und am Rande zur Selbstzerstörung, eine Plattenspielernadel, die auf einer Gefühlsrille hängen geblieben war. Vielleicht gehört es ja zum Jungsein dazu – zur Unbändigkeit einer Energie, die noch nicht verbraucht ist von den Erfahrungen, die man in weiterer Folge macht –, dass man es sich nicht etwa einreden muss, sondern es tatsächlich für realistisch hält, dass eine Begegnung, die um drei Uhr nachts in der verschwommenen Atmosphäre eines Clubs beginnt, in eine liebevolle, von gegenseitigem Respekt getragene Beziehung mündet. Vielleicht hatte Sabine damals aber auch gegen alle Warnungen und Indizien gehofft, dass – ganz wie im Märchen – die Geschichte nach den Prüfungen, die das Mädchen (das in Wahrheit natürlich eine Prinzessin war) zu bestehen hat, am Ende gut für sie ausging (und sie der Prinz zur Frau nahm). Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Liebe, das im 21. Jahrhundert beinah über Nacht kommen kann und in vielem eher einer gröberen narzisstischen Kränkung oder einer Privatinsolvenz ähnelt als einer häuslichen Tragödie.
    Was die Sabine von damals mit der stillenden Mutter von heute gemein hat, kann ich nur ahnen. Einen gewissen mädchenhaften Trotz vielleicht, einen zähen Glauben (woran auch immer), der sie trotz aller Nackenschläge wieder aufstehen und weitermachen lässt. Dazu eine gehörige Portion Pragmatismus, der sie letztlich den Weg aus einer eingefahrenen Situation finden lässt.
    Wie auch immer – im Grunde fische ich nur im Trüben. Zu viel Zeit ist vergangen (in Wahrheit nur ein paar stumpfe, fast konturlose Jahre), seit ich sie von einem Date mit einer Internetbekanntschaft abholte und wir beide es noch für möglich hielten, dass etwas aus uns werden hätte können.

 
     
    In einer materiellen und körperlichen Bewegung, in unvollkommenen, unregelmäßigen Handlungen besteht des Lebens Wesen.
    Montaigne, Essais III , ix

Ein erschöpfter Engel
    Wie Sabine da vor der Tankstelle stand: ein Stück Wäsche, das jemand auf der Leine vergessen hatte und das vom Abendwind gebeutelt wurde.
    Sie trug mit Pailletten bestickte Jeans, rote Sandalen aus weichem Nappaleder und ein rotes Top. Darüber einen schwarzen Blazer, der ihrem auffälligen Outfit einen nüchternen Rahmen gab. Sie hatte sich offensichtlich zurechtgemacht, wollte sich von einer Seite zeigen, die im Alltag oft zu kurz kam und die dort ihrer Meinung nach auch nichts zu suchen hatte. Sabine wusste, dass viele im Büro sie als zurückhaltend beschrieben hätten, mit ihrem Haarknoten, ihrem dezent

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