Das ganze gleich nochmal
das die Strafe dafür, dass er in Gedanken mit der schönen und rätselhaften Carley ins Bett gegangen war. Er musste unbedingt dafür sorgen, dass sie sein Leben nicht beeinflusste wie gestern Abend, als er Mühe gehabt hatte, etwas zu essen. Und heute würde es ihm bestimmt schwerfallen, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Seufzend machte er sich auf einen langen und anstrengenden Tag gefasst.
“Um Himmels willen, was ist das für ein schrecklicher Lärm?”, fragte Carley und betrat die Küche.
Houston drehte sich um. Die Frau, die sein ganzes Denken mit Beschlag belegt hatte, stürmte auf ihn zu. “Ma’am?”
“Oh nein, wir fangen nicht wieder mit diesem ‘Ma’am’ an”, entgegnete sie lächelnd und packte ihn am Ärmel. “Ich bin Carley, und wenn Sie diesen grässlichen Lärm nicht hören, sind Sie taub. Kommen Sie mit!”
Er ließ sich nur von ihr ins Freie ziehen, weil er von ihr fasziniert war. Den Bademantel hatte sie mit einem nicht dazu passenden Gürtel eng zusammengezogen, und an den zierlichen Füßen trug sie die schäbigsten flauschigen Pantoffel, die man sich vorstellen konnte.
Und erst ihr Haar! Es war vom Schlafen zerzaust. Manche Strähnen standen vom Kopf ab. Insgesamt bildete es eine verführerische kastanienbraune Wolke, die in Locken das Gesicht umgab und bis auf die Schultern reichte. Wie gern hätte er diese Frau berührt, einfach nur berührt!
Erst als sie die Fliegengittertür aufstieß, begann sein Verstand wieder normal zu arbeiten. Er sollte es lieber nicht zulassen, dass eine Frau in diesem Aufzug das Haus in der Dunkelheit verließ. “Wohin wollen Sie eigentlich, kleine Lady?”, fragte er und stemmte sich gegen sie.
Carley drehte sich um und zerrte erneut an seinem Ärmel. “Zu meinem Fenster. Sie sollen mir sagen, was das für ein Lärm ist, der mich geweckt hat.”
Houston ließ sich von ihr weiterziehen und folgte ihr um das Haus herum. Carley steckte wirklich voller Überraschungen. Sie war angeblich von einem fürchterlichen Geräusch aus dem Schlaf geschreckt worden, doch anstatt sich zu verstecken, verließ sie das schützende Haus. Auf diese Art und Weise handelte sie sich bestimmt noch eine Menge Ärger ein. Fantastisch!
Carley bog um eine Ecke und blieb so plötzlich stehen, dass Houston heißen Kaffee aus der Tasse verschüttete, zum Glück aber nicht über seine Hand.
“Da, das ist es. Was ist das bloß für ein Geräusch?”
Er musste sich erst konzentrieren, und dann hörte er nur die üblichen nächtlichen Laute – das Quaken der Laubfrösche, das Schwirren der Nachtfalken und die Rufe der Vögel, die ihre Gefährten lockten.
“Tut mir leid, Carley, ich höre nichts Ungewöhnliches.”
“Und dieses Kreischen? Hören Sie das nicht? Es klingt, als würde jemand umgebracht!”
Er gab sich redlich Mühe. “Meinen Sie das Krächzen der Stare?”
“Nein, ich weiß, wie diese lästigen Vögel klingen. Wir hatten welche in den Bäumen vor unserer Wohnung. Ich meine dieses andere Geräusch, das wie ein Schrei klingt.”
Endlich wurde ihm klar, worauf sie anspielte und was sie wahrscheinlich noch nie gehört hatte. “Ach, die
chachalacas
.” Er lachte und nahm einen Schluck Kaffee. “Das sind bloß Vögel, etwas größer als Stare und auch viel lauter, aber eben nur Vögel. Haben sie Ihnen Angst eingejagt?”
“Nein, sie haben mir keine Angst eingejagt. Mir ist bloß das Herz stehen geblieben. Das ist ein Vogelruf?”
“Ja. Irgendwann nehme ich Sie zur
resaca
mit, wo sie nisten. Diese Vögel sehen interessant aus. Sie können nicht fliegen, haben aber große leuchtend grüne Schwanzfedern.”
“
Resaca? Chachalaca?
Ich spreche einigermaßen gut Spanisch, aber ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.”
Er löste behutsam seinen Arm aus ihrem Griff und legte ihr die Hand auf die Schulter. “Kommen Sie, ich erkläre Ihnen das alles bei einer anderen Gelegenheit. Jetzt sollten wir wieder ins Haus gehen. Für heute Morgen reicht das Thema Vogelkunde.”
Im Sternenschein erkannte er, dass Carley rot wurde. “Ist es schon Morgen? Ich habe nicht viel geschlafen.”
Er dachte daran, wie wenig Ruhe er selbst gefunden hatte, war jedoch nicht bereit, darüber zu reden. “Tut mir leid. Haben Sie schlecht geträumt?”
“Nein, die Umgebung ist ungewohnt, und es gab so viele fremdartige Geräusche. Als ich dann auch noch diese Schreie hörte … Ich habe es einfach nicht länger ausgehalten. Ich musste wissen, was das ist.”
Carley öffnete
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