Das Gastgeschenk der Transsolaren
spannen. Augenblicklich zerschnitt ihn roter, rasender Schmerz und zwang ihn zu langer Reglosigkeit. Aber diesmal schenkte er sich das Nachdenken nicht. Es gab zwei Möglichkeiten: Seine Leute von der MAKROVAL fanden ihn, oder er wurde von den Einheimischen hier aufgelesen. Eigentlich waren es drei Möglichkeiten. Aber die dritte forderte keine Überlegungen. Er gewann auch sehr rasch Klarheit darüber, daß man ihn von der MAKROVAL aus kaum auffinden konnte, ohne daß er seinen Standort durch den Sender markierte. Und die Bewohner hier? Es gab da beinahe nur Unsicherheiten. Immerhin hatte er seine technischen Mittel und seine Intelligenz dazu genutzt, einen Ort zu suchen, wo keine solchen Bewohner waren. Alles lief nur darauf hinaus, der dritten Variante möglichst viel Zeit abzuhandeln. Er hatte einen Auftrag. Und der war erst zur Hälfte erfüllt. Das war wertlos, solange die Gefährten in der MAKROVAL nichts davon erfuhren. Die Übermittlung der Nachricht war die zweite Hälfte des Auftrages. Erst das Ganze hatte Sinn.
Er grübelte über Möglichkeiten, erfand Varianten, die aber immer an momentan nicht vorhandene Bedingungen geknüpft waren. Im Grunde wußte er, daß es in dieser Richtung nichts zum Nachdenken gab. Aber er befahl sich energisch, aus den Gegebenheiten herauszuholen, was in ihnen steckte. Er berechnete die verfügbare Menge an Sauerstoff und schloß auf den Zeitraum, der ihm blieb. Das Resultat schien ihm hinreichend unakzeptabel, um einen rigorosen Versuch zu rechtfertigen. Bernod öffnete das Freiluftventil und sperrte den Sauerstoff. Alle möglichen Zustände, die er sofort zu spüren vermeinte, schob er auf Einbil dung ab. Aber dann verfärbten sich die Nägel an seinen Fingern blau. Er erlaubte sich doch eine Dusche aus der Flasche und durchdachte das Problem methodisch. Also mit Geduld, dachte Bernod, wählte ein Öffnungsverhältnis der Ventile, das ihn aussichtsreich dünkte, und legte die Hände vor sich hin, um die Farbe der Nägel zu beobachten. Es ging gut. Seine Blicke schweiften ab.
Das Meerschweinchen lag noch da. Nahe bei dem Tierchen ragte ein dürres Blatt aus dem Boden. Er hielt es jedenfalls für ein Blatt, bis sich das sandgelb und grau gesprenkelte Gebilde bewegte. Nun behielt er seine Fingernägel, das Meerschweinchen und das vermeintliche Blatt gleichzeitig im Auge. Halb von Sand überweht, bewegte sich das Ding ruckend und zentimeterweise auf das plustrige Häufchen Fell zu, und er stufte es bei den Insekten ein, denn zeitweilig angelte eine Anzahl kräftiger Beine über den Rand des hübsch gemusterten Wesens. Als Bernod aber entdeckte, daß in sauberem Kreise rund um seinen gelähmten Leidensgenossen herum der Sand zu fließen schien, gehoben und wieder zurückrieselnd vom unterirdischen Wirken vieler solcher Insekten, vergaß er dieses freundliche Urteil. Die Nägel an seinen Fingern zeigten keine bedrohlichen Symptome. Er nahm ein wenig vom Sauerstoff weg und zwang seinen Blick wieder zurück zu diesem Geschehen im Sande. Es mußten Dutzende sein, die den Kreis immer enger zogen. Plötzlich streckte das Meerschweinchen jenes eine Bein aus, das es noch zu bewegen vermochte. Wirbelnd kratzten die Krallen den Halbkreis in der vorgezeichneten Spur. Dann lag das Tier still. Sandkörner, die ihm der Wind in die Augen blies, blieben auf den schwarzen Knöpfen haften, deren Glanz erloschen war. Alles vollzog sich lautlos und unerbittlich langsam. In gespenstischen Wellen floß der Sand auf die Leiche zu. Dicht unter der Oberfläche, nur zuweilen durch den Wind entblößt, strebten die Totengräber ihrer Arbeit zu. Allmählich versank das Bündelchen Fell in den Maelstrom des Sandes. Bernod sah den Augenblick nahen, in dem der Wind die letzte Spur des kleinen Leichnams zuwehen würde. Den Gedanken, was sich dort unter der geglätteten Fläche weiter vollziehen würde, verscheuchte er so gründlich, wie er konnte, und warf ihm andere Gedanken entgegen, die mit Zweckmäßigkeit und Hygiene zu tun hatten und mit Umständen, die er von der Erde her kannte, die dort nicht anders und ganz natürlich waren. Es gelang ihm, den dünnen Schlauch des Wasserkanisters aus der Knietasche heraus bis zu seinem Mund zu führen. Widerwillig aß er auch eine Tafel des Konzentrats, fühlte sich danach aber nicht besser. Er besah sich die Farbe seiner Nägel und starrte dann vor sich hin in die ferne Landschaft, über die Wolkenschatten zogen.
Die mattfarbenen Flächen laufen ineinander
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