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Das Gastgeschenk der Transsolaren

Das Gastgeschenk der Transsolaren

Titel: Das Gastgeschenk der Transsolaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman , Hans Taubert
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weil er gefesselt war von dem, was Bernin nicht sagen konnte.

      8. 3. 22
    Anzews Ahnung trog nicht!
      Zweihundert Minuten nach der ersten Havarie riß das nächste Glied. Anstatt zu schlafen, ersetzten wir nacheinander einundvierzig Kettenglieder in dreißig Stunden.
      Den defekten Teilen war nicht anzusehen, warum sie rissen. Wir drehten sie hin und her, wußten, daß das nicht mehr lange so weitergehen konnte, und grobe Worte waren Ausdruck unserer einfallslosen Ohnmacht.
      Ich sagte Falkhoven, daß alle ersetzten Glieder zwischen dem neunzehnten und siebenundsiebzigsten des linken und dem sechsunddreißigsten und vierundneunzigsten des rechten Bandes liegen, denn das schien mir eine auffällige Verteilung zu sein.
      »Differenz gleich achtundfünfzig«, sagte Falkhoven halb abwesend – und dann sehr wach: »Beide Male!«
      »Das ist genau die Zahl der Glieder eines Bandes, die gleichzeitig dem Boden anliegen«, sagte ich.
      Bernin stand neben uns, und ich fing einen fast lauernden Blick seiner grauen Augen auf.

      9. 3. 22
    Bernin, noch bleicher als sonst, ist wie besessen und seit gestern von hektischer Betriebsamkeit gepackt.
      Mich regte er auf: Fortwährend drückte er sich an der großen Tafel herum, auf der die Funktionsstörungen signalisiert werden und wo bald der Punkt »Rechte Raupe«, bald »Linke Raupe« rot und giftig aufblinkte, denn das Ärgernis hielt heute an, wenn auch mit wachsenden Pausen. Kein Wunder, denn unterdessen sind fast alle gefährdeten hundertsechzehn Glieder der Raupe ersetzt. »Ich gehe mit raus«, hatte er erklärt.
      Während ich montierte, reichte er mir an Anzews Stelle draußen zu und glich durch Zähigkeit aus, was ihm an Körperkraft fehlte. Später erwartete er mit ironischer Gelassenheit den Moment, an dem der Ort defekter Raupenglieder ausgemacht werden konnte. Mit »Aha« und »So, so«, oder »Sehr gut, sehr gut!« quittierte er die Nachricht, daß es sich ohne Ausnahme immer um den gleichen Abschnitt handelte.
      Als wir übrigen uns dann wegen der häufigen Aufenthalte erregten, schien Bernin gerade für diese kurze Frist sein seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Jedenfalls drückte sein Verhalten das in aufreizender Deutlichkeit aus.
      Mit der Fußspitze auf dem hellglasigen Grund kratzend, verriet er, wo seine Gedanken waren: »Dieses Zeug ist schuld, dieses elende Zeug. Es hat uns die Raupen schon zerfressen, ehe wir abfuhren. Da stand der Wagen nach dem Ausladen neun Wachen neben der 12 P.« Sein Bewegungstrieb erstickte an der teigig zähen Widerspenstigkeit der Skaphandergelenke, und alle drangvolle Unrast kehrte sich nach innen.
      Langsam wandte er sich um und eilte mir dann plötzlich in der lächerlich hilflosen Gehweise, die uns die spiegelnde Fläche aufzwang, voraus zur Schleuse.
      Unsere Skaphander an den Halterungen der Trockenkammer tropften noch von tauendem Reif, da fand ich Bernin drin schon wieder an seinem Tisch vor, wie er schwitzend kleine Bruchstücke der Raupenplaste pulverisierte. »Für die Röntgensonde«, erläuterte er. Sobald der Drucker des Gerätes schwieg, riß Minehoa das Band ab und gab die Zahlen an die 12 P durch zum Rechner. »An Jahn! Nur an Jahn!« rief ihr Bernin nach, ohne zu begründen, warum er dessen Mitarbeit bevorzugte. Er zerrieb bereits die nächste Probe.
      Warum nehmen wir an Bernins Verhalten solchen Anteil? Seine Nervosität ist die unsere! Er hat nur weniger Geschick als wir zu verbergen, was er empfindet.
      Manches schwiegen wir einfach tot. Aber jeder trägt es noch mit sich herum. Als wir hier ankamen, hatte uns diese »Landschaft« schockiert. Einige von uns beobachteten Chef Stufford, als er kurz vor der Landung aus der 12 P heraus den ersten Eindruck von der Planetenoberfläche empfing. Er hatte schon früher viel gesehen, aber dies hier überraschte offensichtlich auch ihn. Das war selbst bei Falkhoven zu spüren gewesen, der kaum je etwas von seinen Regungen zu erkennen gab.
      Freilich, ein gut Teil des offiziellen Auftrages löste sich fast von selbst. Für eine derartig ungewöhnliche Oberfläche des Gestirns lag ungewöhnliches spektrales Reflexionsvermögen nahezu auf der Hand. Die rechnerische Erarbeitung exakter Zahlen schien zu einer reinen Fleißaufgabe zusammenzuschmelzen. Indessen gingen diese erfolgreichen ersten Arbeiten über gewisse andere, in emotionaler Tiefe liegende Umstände hinweg, ohne sie zu berühren. Wer sich dem Anblick des

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