Das Gastgeschenk der Transsolaren
Arbeitsphase ein.
Wie immer durchbrachen die Biologen als erste die stille Übereinkunft. »Kaltschnäuzig«, wie Raja ungerechterweise und natürlich empört feststellte.
Was die Biologen mit ihren dicken, wurstigen Plasteschläuchen boten, war aber auch stark. Regeneration der Algenkultur! Ihr Schlagwort, mit dem sie selbst den konsequenten Heslot immer wieder weichkochten. Mit einem Wirrwarr glucksender grüner Schlangen, in denen Perlenketten von Luftblasen träge dahinschwammen, hatten sie das Zelt regelrecht eingesponnen.
Auch die Energetiker hielten nicht hinter dem Berg, zum Beispiel mit ihrer Klimaanlage. Das Gebläse, das Tag und Nacht arbeitete, sorgte zwar für angenehme Atmosphäre und hielt das Zelt straff, dafür mußte ihm aber auch die gesamte Fläche rechts vom Eingang geräumt werden.
Bevor die Biologen ihr zweites Projekt ausheckten, ließ es sich trotz Chlorella-Pipelines und Belüftungsschnorchel im Zelt noch einigermaßen leben. Und bevor Heslots Programm anlief.
Tagtäglich herrschte Urlaubsstimmung. Selbst dann noch, als der scheußliche heiße Schlammregen auf die Folie trommelte und die Mannschaft in die VESTA trieb. Da saßen sie ungeduldig vor dem Bildschirm und warteten sehnlich darauf, daß der weiße Zwerg (zumindest war die fremde Sonne nach dem Hertzsprung-Russell-Diagramm so einzuordnen) mit seinen scharfen Strahlen die fetten schwarzen Wolken zerschnitt und die Welt ringsum wieder in gleißendes Licht tauchte.
Raja sah ihre große Stunde als Bordärztin gekommen.
Übereifrig setzte sie sich für Prophylaxe ein und verordnete jedem eine tägliche Minikur von wenigstens vier Stunden Zeltaufenthalt, möglichst bei Tageslicht abzuleisten.
Alle fanden ihre Sorge rührend und fügten sich – innerlich schmunzelnd – ihrem improvisierten Kontrollkartensystem.
Selbst die Nachtstunden unter der hauchdünnen Folie belebten und spendeten Wohlbefinden. Das wunderbare Spiel der nahen Monde bot, ewig wechselnd, zu keiner Stunde den gleichen Anblick und wirkte auf die monolunaren Erdbewohner gleichsam psychotherapeutisch. Taron schleppte als erster Schlafsack und Schaumpolster in die Kuppel.
In jener Nacht ward ein Poet geboren!
Seiner morgendlichen Lobeshymne, in der »paradiesisch« und »himmlisch« noch zu den harmlosen Adjektiven zählten, war es zu verdanken, daß von nun an jeder danach drängte, im Zelt schlafen zu dürfen.
Doch da schritt Heslot ein. »Höchstens drei, keiner mehr! Wir müssen immer noch mit Überraschungen rechnen.« Was schließlich jedem einleuchtete.
Daß es im Zelt auch besser schmeckte, war kein Wunder, zumal es die Frauen verstanden, aus dem Nichts einen gut zubereiteten Mittagstisch zu zaubern. Irgend etwas Sitzbares fand jeder. Von der Seilrolle bis zum ausrangierten Kanister bewährte sich manches. Keiner machte sich die Mühe, einen der bequemen Sessel aus der VESTA zu demontieren. Wozu auch? Eben das improvisierte Lagerleben bereitete besonderes Vergnügen. Auf Tischdecken verzichtete man großmütig, und anstelle von Blumen legte Krys (die sonst so nüchterne!) auffallend gefärbte Steine, die sie blitzblank gescheuert hatte, in raffinierter Gruppierung auf die kleinen Klapptische. Taron kam auf den Gedanken, die Steine mit Öl abzureiben, so daß ihre Farben noch intensiver hervortraten. Später standen sogar richtige Blumen auf den Tischen! Aus leeren Filmpatronen strahlten die bescheidenen, bläulichweißen Blüten der Kresse, und niemand hätte sie gegen noch so prächtige Orchideen eintauschen mögen.
In diese Idylle platzte Taron mittenhinein. »Kinder! Ich habe eine Bombenidee!«
»Vorsicht! Volle Deckung!« So Heslot.
»Wir werden unser Wasser waschen!«
Das Lachen und die allgemeine Heiterkeit der fröhlichen Runde nützte Taron geschickt, um für sein Vorhaben zu werben. Er sprach von überlasteten Filtersystemen und porös gewordenen Peristaltikpumpen; er reichte einen Beutel Wasser herum, und plötzlich bildeten sich alle ein, es schmecke nicht mehr wie Wasser, sondern »irgendwie synthetisch«. Im Handumdrehen waren sie Feuer und Flamme, und in der allgemeinen Begeisterung schien keiner das abgekartete Spiel der Biologen zu durchschauen.
»Seht mal«, fuhr Taron scheinheilig fort, »dem Wasser geht es wie uns. So quicklebendig und doch immer in den Kreislauf eingesperrt. Plasteschlauch – Darm – Niere – Harnleiter – Filter – Plasteschlauch –
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