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Das Gastgeschenk der Transsolaren

Das Gastgeschenk der Transsolaren

Titel: Das Gastgeschenk der Transsolaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Leman , Hans Taubert
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Lebendigem gibt, hat schlechte Aussichten, wie gesagt«, schloß er.
      »Wieso ›fast‹?« fragte Jolas.
      Aber Brassac übertönte ihn. »Was ist nun mit der Liebe?« rief er ungeduldig dazwischen. »Oder war es nur ein Werbeslogan, um uns herzulocken?«
      Melzer sagte entrüstet: »Aber wir sind ja mitten dabei.«
      »Na?« brachte sich Jolas in Erinnerung. Aber da ging die Tür auf, und Navratil zwängte seine athletische Gestalt durch die Öffnung. Als er Melzer entdeckte, ließ er sich neben ihm auf einen der leichten Rohrsessel nieder, mit erprobter Vorsicht, die nicht verhinderte, daß ihm ein Packen loser Papiere entglitt. Sie breiteten sich flatternd über ein beträchtliches Areal des Kabinenbodens aus. »Es ist schon wieder einer hin«, sagte er im Brustton tiefer Befriedigung zu Melzer, bevor er sich anschickte, seine Protokolle aufzulesen.
      »Von Oligoergus socialis?« fragte Melzer interessiert.
      »Nun ja«, antwortete Navratil nach geraumer Zeit, als er endlich alle seine Papiere wieder beieinander hatte. Da fiel sein Blick auf Marja Jarosowa. Mit ruhiger Entschlossenheit wuchtete er seinen Körper aus dem Sessel, durchforschte blinzelnd den Raum und strebte, den Papierpacken unter den Arm geklemmt, zielsicher und ohne Eile dem Platz zu, der von Marja am weitesten entfernt war.
      Alle Sorgen um die beiden fielen wieder auf Melzer und begruben seine erfreulichen Gedanken um die hier verbreitete Gattung Oligoergus, die er allen übrigen vorzog. Er spähte zu Marja Jarosowa hinüber, deren Fingerleiden plötzlich wiedererwacht zu sein schien. Verdrossen bemühte er sich, alles Ungemach, das ihm das unkollektive Verhalten der beiden auflud, in einen einseitigen Zorn auf Navratil abzuleiten. Aber sein Blick dorthin traf ins Leere. Unterstützt von Brassac, angelte Navratil abermals am Boden zwischen verschiedenerlei Beinen nach seinen Papieren. Melzers Zorn erstarb. Auch Navratil war als Widerlager seines Unmuts unbrauchbar. Er seufzte ergeben.
      Jolas’ Hartnäckigkeit rief ihn von den Abwegen zurück: »Na los, Melzer. Warum sterben sie nicht aus?«
      »Du lieber Himmel«, sagte Melzer, »davon reden wir die ganze Zeit. Wegen Oligoergus. Vielleicht. Hoffentlich.«
      »Wegen der Tranfunzeln mit Herdentrieb?« vergewisserte sich Jolas, der als Physiker die biologische Nomenklatur nicht für voll nahm.
      »Ja, Oligoergus socialis«, sagte Melzer lachend. »›Tranfunzel‹ ist ganz gut, übertriebene Eile ist ihnen wahrlich fremd, aber ›Herdentrieb‹?«
      Marja kicherte. In unvermuteter Übereinstimmung war von der entgegengesetzten Ecke der Kabine Navratils Stimme zu hören: »Der Jolas hat ein paar Tage gepennt, meine ich.«
      Melzer schien es nun doch an der Zeit, den Faden der Information zu straffen. Ja, bestätigte er, Oligoergus sei bekanntlich die auffällig einzige Form auf Teta neunzehn, die in Gruppen auftrete. Vorübergehend, aber oft. Die Individuen versammelten sich zu dichten Haufen und strebten nach einer Weile wieder auseinander, was ein langwieriges Unternehmen sei bei der hier üblichen langsamen Weise der Fortbewegung. Navratil sei seinerzeit auf die verdienstvolle Idee verfallen, die Versammelten zu zählen. Seither wisse man, daß es sich stets und immer um genau Sechsundsechzig Individuen handele.
      »Um fünfundsechzig respektive«, warf Navratil ernsthaft ein, »denn nachher ist immer einer hin. Wie jetzt grad wieder draußen«, fügte er erhärtend hinzu.
      »Den haben sie verspeist«, vermutete Jolas. Das anzunehmen habe nahegelegen, gab Melzer zu. Aber es habe sich erwiesen, daß Oligoergus seinen Silan- und Proteinbedarf überraschenderweise aus mineralischer Substanz decke, sich also teilweise autotroph ernähre.
      »Verstehe«, sagte Jolas, »daher das ›fast‹. Sie werden dadurch zum Retter aller Tranfunzeln und der ferneren Verwandtschaft.«
      Melzer nickte ihm zu.
      »Arme Luder«, bemerkte Bobroff philosophisch. »Beim Fressen beschränken sie sich bescheiden auf die passive Rolle.«
      »Was abzuwarten bleibt«, sagte Melzer. »Der Evolutionsprozeß, durch den sich ihre Fähigkeit entwickelt, aus anorganischer Substanz Silan und Protein aufzubauen, eilt in einer Geschwindigkeit voran, daß er in der kurzen Beobachtungszeit bereits meßbar ist. Das widerspricht allen Erfahrungen bei* biologischen Abläufen. Die errechneten Parameter erinnern eher an das Fortschreiten gesellschaftlicher Entwicklungen.

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