Das gebrochene Versprechen
Girdwood
den Versuch auf, Rickys Aufmerksamkeit zu erlangen, und strebte, Ethan Amory im
Schlepptau, in den Raum mit der Bar. Und dann nahmen Ricky und Charlene ihren
Streit da wieder auf, wo sie ihn unterbrochen hatten, und zofften sich weiter,
den ganzen Weg durchs Wohnzimmer und die Küche und den Flur zu ihrem Flügel, wo
sie, wenn mich meine Ohren nicht täuschen, noch immer zugange sind.«
»Mein Gott, was für ein Zoo!«
»Ach, das ist nur ein Teil. Die
Bandmitglieder sind größtenteils auch schon eingetröpfelt. Sie haben sich im
größeren Gästehaus einquartiert und verlangen, dass ihnen Drinks und Snacks an den
Pool gebracht werden, als wäre das hier ein Luxushotel. Halten die Haushälterin
— eine nette, überarbeitete Frau namens Nona — auf Trab. Ein Hausmädchen ist
heute Nachmittag gegangen und musste durch ein hübsches Schweigegeld davon
abgehalten werden, über die Sicherheitsmaßnahmen hier zu plaudern. Und Rattray
pestet in der Küche herum, also stehen die Chancen zehn zu eins, dass die
Haushälterin auch noch kündigt.«
Mich überkam ein seltsames
Gefühl der Mutlosigkeit, gefolgt von einem Panikanfall. »Wir wohnen doch nicht
hier, oder?«
»Leider halte ich es für das
Beste — jedenfalls für heute Nacht. Wir sind im kleineren Gästehaus, das zum
Glück ein gutes Stück von dem Flügel weg ist, wo deine Schwester und dein
Schwager sich gerade an die Gurgel gehen.«
Ich ließ mich gegen Hy sinken,
den Arm um seine Taille. »Sind dir auch schon Zweifel gekommen, ob das
Luxusleben wirklich so toll ist?«
»Und ob. Auch wenn wir uns
eigenhändig ums Feuer kümmern und selbst putzen und kochen müssen, denke ich
doch voller Wärme an Touchstone.«
»Ich auch.« Ich löste mich von
ihm und zeigte auf die offene Tür. »Sollen wir?«
»Auf ins Getümmel.«
In der gefliesten Diele war es,
nach der Abendhitze draußen, richtig kühl. Ich ging zu den Stufen, die ins
Wohnzimmer hinunterführten, und spähte in den Raum. Dieser war riesig, mit
Hartholzdielen, mehreren cremefarbenen Teppichen und gelbbraunen
Ledersitzgruppen. Eine neue Kollektion afrikanischer Masken über der
Kaminöffnung fiel etwas aus dem Rahmen, ebenso wie das Paar zerkauter
Hausschuhe, das mitten auf einem der Teppiche lag. Etliche Blumenarrangements,
überwiegend aus Trockenzweigen bestehend, zierten die niedrigen Tische. Ich
ging die Stufen hinunter zur Fensterfront gegenüber, um hinauszugucken.
Drei Männer lagerten auf
schaumstoffgepolsterten Liegen am nierenförmigen, schwarzgrundigen Pool. Die
untergehende Sonne lohte über die niedrige Terrassenmauer, funkelte auf dem
Wasser und färbte die Haut der drei Männer bronzen. Ich erkannte den
rothaarigen Drummer, Jerry Jackson; den kräftigen, bärtigen Lead-Gitarristen,
Norm O’Dell, und den Bassisten, Forrest Curtin, mit dem blonden Pferdeschwanz.
Curtin zündete sich gerade einen Joint an; er nahm einen Zug, bot die Tüte dann
Jackson an. Hy trat hinter mich. »Das sollte sie wohl für ein Weilchen
sedieren.«
»Ich glaube nicht, dass es okay
ist, wenn sie das hier tun, wo die Mädchen sie sehen können.«
»Willst du’s ihnen untersagen?«
»Nein, ich will, dass Ricky
oder Charlene es tun, aber die sind offensichtlich zu beschäftigt mit ihrer
Streiterei. Ist ja vielleicht auch gut so; vielleicht führt es ja zu einer
Klärung und sie versöhnen sich wieder.«
»Ich weiß nicht. Das Gestreite,
das ich vorhin mitgekriegt habe, war nicht von der produktiven Sorte.«
»Gott. Wie wird sich das auf
die Kinder auswirken? Wie wirkt es sich jetzt, im Moment, auf Chris und Jamie
aus? Ich glaube, ich gehe besser mal zu ihnen und gucke, wie sie damit fertig
werden.« Hy hielt mich zurück, indem er mich leicht am Arm fasste. »Kannst du
vorher noch eben einen Blick auf Girdwood und Amory werfen. Da ist irgendwas,
was ich nicht recht zu fassen kriege.«
»Inwiefern?«
»Na ja, erstens mal komme ich
nicht dahinter, warum sie überhaupt hier sind. Und mir gefällt die Art nicht,
wie Amory wegen der Sicherheitsmaßnahmen herumfragt. Ich habe ihn dabei
erwischt, wie er zwei von unseren Leuten regelrecht verhört hat.«
»Haben sie was gesagt?«
»Nein. Sie sind auf
Verschwiegenheit gedrillt.«
»Du sagst, Amory und Girdwood
sind im Barraum?«
»Dort habe ich sie zuletzt
gesehen.«
Ich war erst einmal hier im
Haus gewesen, bei der Einweihungsparty gleich nach dem Einzug. Ich sah mich
etwas desorientiert um. Hy grinste. »Eine Karte wäre hilfreich. Mir
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