Das Geburtstagsgeschenk
ist, sagt er, muss sie die Schlösser austauschen lassen. Dann fragt sie ihn, ob er gern eine Tasse Tee hätte, und er sagt ja.
»Ich hole nur rasch die Teekanne aus dem Esszimmer«, sagt sie, er soll wohl denken, dass er in einer richtigen Wohnung ist und nicht in einem Wohnschlafzimmer mit Bad.
»Machen Sie sich keine Mühe«, sagt er.
Sie geht ins Badezimmer und kommt mit leeren Händen wieder raus, die Teekanne muss wohl doch in der Küche sein, sagt sie. Ist das nicht zum Heulen? Den Tee machen wir wie immer, indem wir einen Beutel in den Becher hängen. Der Polizeibeamte trinkt, isst einen Keks und sagt, er muss weiter, er wird »die Damen jetzt in Frieden lassen«. Er ist kaum fünf Minuten weg, da verkündet Mummy, dass sie am Sonntag abreisen will.
Sie war wegen der geklauten Handtasche so unglücklich, dass ich weich werde und sie frage, was sie an meiner Stelle tun würde, wenn sie angegriffen worden wäre wie ich von Sean Lynch. Ich erzähle ausführlich, wie ich hingegangen bin (den Anlass erfinde ich natürlich) und was passiert ist, und irgendwie tut es gut, mit jemandem darüber zu sprechen, und wenn es nur die eigene Mutter ist. Die ist – begreiflicherweise! – schockiert und entsetzt.
»London ist nichts für mich, Jane. Hier hätte ich keine ruhige Minute. Für dich auch nicht. Ich werde in tausend Ängsten schweben, bis du glücklich in Ongar bist. Wir sind uns doch darüber einig, dass du zu mir ziehst?«
»Irrtum! Ich ziehe nicht zu dir«, sage ich.
Das war gestern. Ich bereue schon längst, dass ich es ihr erzählt habe, sie hat gezetert, weil sie sich schon wieder Sorgen um mich machen muss, wir gerieten uns in die Haare, was ja bei uns nichts Neues ist, und das Ende vom Lied war, dass ich allein spazieren gegangen bin. Ich hatte gar nicht gemerkt, was für ein schöner Tag es war. Ich ging zum West End Green, bis Childs Hill und die Pattison Road hoch bis zum Rand der Heath. Es war Samstag, da sind immer viele Paare unterwegs, aber trotzdem hatte ich den Eindruck, dass es mehr als sonst waren, Menschen, die Händchen hielten oder Arm in Arm gingen. Seit Monaten – genau genommen seit meiner Vertreibung aus der Irving Road – hatte ich mich nicht mehr so ruhig und friedlich gefühlt. (Wie hatte doch der Polizeibeamte gesagt: Er würde uns in Frieden lassen … ) Und auf dem Rückweg über die Finchley Road entdeckte ich Stu. Er putzte die Erdgeschossfenster in einem Haus in der Weech Road, und als er mich sah, hob er eine Hand zu einer Art Gruß. Es sah mir nicht ähnlich, so was mache ich eigentlich nicht, aber ich winkte zurück und rief: »Hi, Stu!«
Er lächelte mir zu und rief, dass wir uns ja am Montag sehen würden, das ist sein nächster Fensterputztermin bei mir. Vielleicht, dachte ich, schläft er mit meinem Namen und meiner Adresse unter dem Kopfkissen, so was gibt es. Mummy war beim Packen, als ich zurückkam. Sie legt ihre Sachen zusammen, wie die Verkäuferinnen es machen, mit Seidenpapier dazwischen, auch die Schuhe werden in Seidenpapier gewickelt, obendrauf packt sie ihre Kosmetiktasche. Sie wolle mich »noch ein letztes Mal« zum Essen ausführen, ich solle entscheiden, wohin. In Kilburn ist die Auswahl nicht gerade groß, und ich erinnerte sie daran, dass man ihr das ganze Geld und die Kreditkarte geklaut hatte. Schließlich landeten wir in einem Lokal in der Fortune Green Road, und ich musste zahlen.
»Es ist das Mindeste, was du tun kannst, Jane, wenn man bedenkt, dass ich dich praktisch das ganze letzte Jahr über Wasser gehalten habe.«
Ich nahm das nicht allzu krumm, weil ich mir dachte, dass ich Ende nächster Woche reich sein würde. Mummy sagte, sie sei nach dem »furchtbaren Erlebnis vom Freitag« und dem Verhör durch die Polizei zu Tode erschöpft. Wir waren kaum zehn Minuten wieder zurück, da legte sie sich ins Bett und schlief sofort ein. Ich saß in der Küche und setzte einen Brief an Ivor Tesham auf. Wenn ich Mummy morgen Vormittag zur U-Bahn gebracht (und ihr die Fahrkarte gekauft und ihr Geld geliehen) habe, werde ich ihn in meiner besten Schrift abschreiben und den Brief zum Postamt bringen. Am Sonntag geht die Post um elf raus, ich werde versuchen, die zu erwischen, dann hat er den Brief am Montag. Die Frage ist nur: Was soll ich schreiben? Ich könnte natürlich einfach sagen, ich wüsste, was er am 18. Mai 1990 gemacht hat, und wenn er wolle, dass es geheim bleibt, so wie er es vier Jahre lang geheim gehalten hat, müsse er zahlen. Aber
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