Das Geburtstagsgeschenk
notgedrungen langsam an Ivors Haus vorbei, und Juliet wandte den Kopf, um die Meute zu betrachten – das Reporterrudel, die Fernsehleute, die Fotografen. Das Haus stand unmittelbar an der Straße, ohne Vorgarten, von der Fahrbahn nur durch zwei kleine Pfosten getrennt, zwischen denen eine Kette gespannt war. Die Reporter waren über die Kette gestiegen und drängten sich an der Hausmauer und den unteren Fenstern, es waren so viele, dass für den Verkehr nur noch die halbe Fahrbahn zur Verfügung stand. Ein Mann hockte auf einem im Halteverbot geparkten Kleintransporter.
»Ich kann da nicht hinein, Rob«, sagte Juliet mit unnatürlich hoher Stimme.
Ich bog nach links in die nächste Querstraße ab, kam in Millbank heraus und hielt am Embankment. Sie würde wieder mit zu uns kommen müssen, sagte ich, und wir müssten unbedingt Ivor verständigen. Ob er zur Abendabstimmung im Unterhaus sei? Ja, sicher, bestätigte sie, wahrscheinlich sei er in der Bar. Ihr sanfter, liebevoller Ton nahm den Worten die Schärfe.
»So muss es bei Gerry Furnal gewesen sein«, sagte sie, »ehe sie dachten, Lloyd und Dermot hätten Kelly Mason entführen wollen. Die Medienmeute vor seinem Haus, meine ich, die ihn gejagt hat.«
Sie hatte ein Handy mit, rief aus meinem Wagen im Unterhaus an und ließ Ivor ausrichten, er möge sich dringend bei ihr melden, was er auch tat. Gegen acht traf er bei uns ein, er hatte für die ganze Strecke ein Taxi genommen. Die Kinder lieben Logierbesuch, besonders Nadine, und hatten Juliet mit Beschlag belegt. Sosehr mir meine Tochter und meine Söhne am Herzen liegen, weiß ich natürlich, wie sehr das nerven kann, wenn man ganz andere Sorgen hat. Doch Juliet widmete sich, bis es Schlafenszeit war, ganz und gar den Kindern. Nadine ließ es sich nicht nehmen, sie nach oben zu begleiten, um ihr das Zimmer zu zeigen, in dem sie und Ivor schlafen würden, und sie über Dinge zu belehren, die ihr vermutlich bestens bekannt waren, wie man die Nachttischlampen einschaltete etwa und aus welchem Hahn das warme Wasser kam.
Ivor und ich nahmen unsere Gläser und die Flasche mit in mein Arbeitszimmer. Genau genommen arbeiten weder Iris noch ich ernsthaft in diesem Raum, aber er ist eine Insel des Friedens mit bequemen Ledersesseln und einem Schreibtisch und für die Kinder tabu.
»Im Unterhaus hat niemand ein Wort zu mir gesagt.«
»Es ging ja auch mehr um Juliet als um dich«, wandte ich ein. »Und um Hebe.«
»Bis jetzt. Meine Lebensgeschichte kommt dann morgen. Wir müssen nach Hause. Es hilft nichts – wir werden diesem Pack die Stirn bieten müssen.«
»Nur interessehalber – warum hast du dich mit den Lynchs eingelassen? Darüber hast du nie wirklich gesprochen.«
»Dermot lag mir auf dem Gewissen. Nachdem ich erfahren hatte, dass er überleben würde. Ein Gewissen hättest du mir nicht zugetraut, was?«
Auf solche Fragen antworte ich grundsätzlich nicht. »Jetzt sag schon!«
Er lachte. Es war ein trockenes Bellen und keineswegs heiter. Einen Augenblick machte er die Augen zu, und als er sie wieder aufschlug, lächelte er. »Ich wollte wissen, in welchem Zustand er war, ob er der Polizei jemals würde sagen können, dass ich der ›Drahtzieher‹ war, nach dem sie gesucht hatten. Als für mich feststand, dass er dazu nie in der Lage sein würde, hatte ich schon Sean und seine Mutter kennengelernt und ihnen Geld gegeben. Es war zu spät, verdammt noch mal.«
»Etwas mit deinem Gewissen hatte das demnach schon zu tun«, stellte ich fest.
Und da sagte er etwas, was vielleicht tatsächlich von ihm stammte, sich aber anhörte wie ein Zitat. »Wenn ein Politiker zur ›Story‹ wird, ist er in der Politik nicht mehr zu gebrauchen.«
Ivor bestellte ein Taxi, und früh um sechs fuhren die beiden zurück in die Glanvill Street. Da war die Presse noch nicht erschienen, aber um sieben war sie vollzählig versammelt. Sie pöbelten Ivor an, als er aus dem Haus kam, und brachten Juliet zum Weinen, als sie sich am Fenster zeigte. Sie dachte, die Fotografen würden es einschlagen, aber sie schossen ihre Bilder durch die Scheibe.
Unsere Morgenzeitung kam, als Ivor und Juliet schon weg waren. Gerry Furnal hatte keine Interviews gegeben, aber Philomena Lynch und Sheila Atherton hatten sich geäußert. Von der armen, arglosen Mrs. Lynch, Mutter eines mutmaßlichen Verbrechers und Mörders und eines menschlichen Wracks – was die Presse genüsslich ausbeutete –, war zu hören, Mr. Tesham sei mit ihrem Sohn
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