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Das Geflecht

Das Geflecht

Titel: Das Geflecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Laudan
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fragten.
    «Wir wohnen zusammen, und wir arbeiten zusammen», sagte er meistens – und so war es schließlich auch.
    Leon hatte miterlebt, wie Tia zu landesweitem Ruhm gelangte, indem sie diverse Rekorde im Höhlenklettern brach. Stets war er dabei gewesen, wenn sie auf eine ihrer Touren ging, auch wenn er selbst die gefahrvollen Tiefen der Erde nicht liebte und sich damit begnügte, das Abseilgerät zu bedienen und die Sicherheitsleine zu halten. Bei der Rettungsaktion in Biedersheim hatte der Einsatzleiter ihn – Leon – mit größter Selbstverständlichkeit als «Frau Traveens Assistenten» vorgestellt.
    Doch all das bekümmerte Leon nicht. Es bekümmerte ihn nicht, in Tias Schatten zu stehen, ebenso wenig, dass sie im Gegensatz zu ihm eine Assistentenstelle an der Universität bekommen hatte, und auch nicht, dass er sie auf ihren Expeditionen an die Adria, in die Karpaten oder nach England begleitete, wo ihre waghalsigen Klettertouren für Schlagzeilen sorgten, während sein Name nicht einmal erwähnt wurde.Ihn bekümmerte lediglich eines, das aber jeden Tag aufs Neue: Dass die Frau, in die er seit zwei Jahren ebenso heftig wie fortdauernd verliebt war, in ihm nur einen guten Freund sah.
    Vielleicht bin ich selbst schuld, dachte er. Schließlich habe ich es ihr niemals gesagt.

••• 20   :   30 ••• BRINGSHAUS •••
    Jörn Bringshaus ging unruhig auf dem Parkplatz auf und ab, der zum Aussichtsplatz auf dem Kugelberg gehörte. Drüben, beim Eingang des Bergwerks, blitzten Blaulichter: Feuerwehr und Notärzte waren angerückt, sahen sich jedoch vorerst außerstande, den Verunglückten zu helfen. Immerhin wirkte ihre Anwesenheit notdürftig beruhigend auf Danas Mutter, die vor kurzem in Begleitung eines älteren Verwandten eingetroffen war. Bringshaus, der die beiden nicht kannte, hatte es Justin überlassen, sich um sie zu kümmern. Es war nur gerecht, dass der Junge seine Dummheit ausbadete und sich von Danas aufgebrachtem Onkel anschreien ließ, während die Mutter in Tränen aufgelöst daneben stand. Finns Eltern befanden sich – zum Glück – auf einer Urlaubsreise in Nordafrika, und Laura hatte sich freiwillig bereit erklärt, sie anzurufen und die Hiobsbotschaft zu überbringen.
    Bringshaus war froh darüber, denn er hätte es nicht geschafft, sich auch noch um die Angehörigen zu kümmern. Er hatte bereits genug damit zu tun gehabt, den Feuerwehrleuten die Sachlage zu erklären und sie von einem übereilten Rettungsversuch abzuhalten, da keiner von ihnen Erfahrung im Höhlenklettern besaß. Zwar machte sich Bringshaus Sorgenum Dana, denn er hatte die Freundin seines Sohnes immer gemocht, und auch das Schicksal Finns ließ ihn nicht kalt. Seine größte Sorge jedoch war eine andere: dass Tia Traveen so schnell wie möglich eintraf und die Sache erledigte, bevor es jemand anders versuchte.
    Von seinem erhöhten Aussichtsplatz konnte Bringshaus einen großen Teil der umliegenden Landschaft überblicken. Die Sonne ging eben unter, Schatten krochen über die Wälder drüben an der Hauptstraße. Als die Lichter eines Wagens sich näherten und in die Zufahrt zum Kugelberg einbogen, fühlte er sein Herz schneller schlagen.
    Lass es die Frau sein!, wünschte er inbrünstig.
    Doch als der Wagen sich näherte, erkannte er Hartmut Böttchers dunkelblauen Mercedes. Ungeduldig wartete er, bis sein alter Geschäftsfreund den Parkplatz erreicht hatte, ausstieg und ihm mit versteinerter Miene entgegenkam.
    «Ist diese Höhlenspezialistin auf dem Weg?», fragte er statt einer Begrüßung.
    Bringshaus nickte. «Sie müsste jede Minute hier sein.»
    «Dann lass uns hoffen, dass sie es schafft! Eine andere Chance haben wir nicht mehr.»
    «Hast du Wildhauer erreicht?»
    Böttchers Miene verfinsterte sich noch mehr. «Ja, habe ich.»
    «Und?»
    «Begeistert war er natürlich nicht gerade.»
    «Können wir auf ihn zählen?»
    «Vergiss es! Er hat es nicht so deutlich formuliert, aber zwischen den Zeilen klargemacht, dass er nichts tun kann – mit anderen Worten: nichts tun will.»
    «Das ist doch unglaublich!», erregte sich Bringshaus. «Hat er keine Angst?»
    «Wovor denn? Er steht ohnehin kurz vor der Pensionierung.Schlimmstenfalls muss er von seinen Ämtern zurücktreten, was lediglich bedeutet, dass er seinen gutbezahlten Ruhestand ein paar Wochen früher antritt. Und wenn es hart auf hart kommt, wird er nicht zögern, ein paar alte Freunde über die Klinge springen zu lassen.»
    «Stronzo», flüsterte

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