Das gefrorene Lachen
älter wirken ließ? Pippa konnte sich kaum davon losreißen. Sturm lag in diesen Augen, Blitze waren darin zu lesen und Donner und viele, viele Jahre der Bosheit, der Hinterlist und der Tücke.
»Philippa Saffronia, genannt Pippa«, sagte der Mann auf dem Thron – Ostwind. Wer sonst konnte es sein? »Du hast mir in meiner Sammlung gefehlt. Nun seid ihr alle da, hier in meinem Schloss.« Die Hand, die entspannt auf der Lehne geruht hatte, regte sich, öffnete sich und schloss sich wieder wie eine seltsame Blüte. Pippa betrachtete erschreckt die langen, gelben Nägel, die sich in das Fleisch der Handfläche bohrten.
»Du hast mich belogen«, sagte sie mühsam. »Du heißt nicht Dongfeng. Du bist der böse Zauberer Ostwind.«
Der Mann auf dem Thron lachte. Es war das glucksende, kullernde Lachen eines Jünglings, und es war schrecklich, es aus diesem Mund fallen zu hören. Pippa schüttelte sich.
»Sehr gut«, sagte Ostwind. »Dann wollen wir dich deiner lieben Familie wieder zuführen. Meine Herren!«
Aus den Schatten rechts und links neben dem Thron traten zwei schweigende, hochgewachsene Gestalten, schwarz und rot die eine, weiß und rot die andere. Augen, in denen grünlich und dunkelrot wahnsinnige, boshafte Funken glühten, durchbohrten Pippa mit ihren Blicken.
»Unartiges Ding«, sagte der Weiße. »Kinder muss man schlagen, sonst lernen sie nicht.«
»Flittchen«, zischte der Schwarze. »Schlecht wie deine Mutter, verdorben bis ins Mark. Ab in die Kiste, Flittchen.«
Es blitzte, und die schreckliche Schwertkiste stand neben ihr, und auf der anderen Seite blitzten die Schwerter in ihrem Gestell. Pippa schrie auf und wollte von Entsetzen geschüttelt davonlaufen, aber ihre Füße hielten sie fest, wo sie stand. Sie biss die Zähne zusammen, denn die beiden Schrecklichen kamen auf sie zu, und wandte alle Kraft auf, die sie besaß, um den Zauber zu brechen.
Es gelang. Die Hand des Weißgesichts legte sich um ihren linken Arm, die des schwarzen Zauberers um den rechten, aber Pippa rang sich los und rannte auf das Portal zu.
»Haltet sie fest«, sagte Ostwind. Er klang nicht im Geringsten erregt, sondern gelassen und amüsiert.
Pippa erkannte jetzt erst, dass einige grau Uniformierte vor dem Portal Aufstellung genommen hatten und es versperrten. Sie konnte das leise Ticken hören, das unter ihren Capes hervordrang. Sie schlug einen Haken, aber zwei der Tick-Tacks lösten sich von den anderen, holten sie ein, packten sie rechts und links und brachten sie zum Stehen.
Pippa wehrte sich verbissen gegen den Griff der Seelenlosen, aber dann fiel ihr Blick auf das Gesicht des Grauen, der ihren linken Arm hielt, und sie konnte den Entsetzensschrei nicht mehr unterdrücken, der sich auf ihre Lippen drängte.
»Na, na«, sagte der Weißgesichtige, der vor dem Thronsitz auf sie wartete. »Schreit eine junge Dame so herum?«
Pippa fühlte, wie Tränen unaufhaltsam über ihr Gesicht rannen. Sie schluchzte laut auf. Durch den Schleier vor ihren Augen sah sie immer noch das Gesicht des Mannes, der eisern ihren Arm umklammert hielt und sie zum Thron zurückschleifte, die Augen unbeirrt nach vorne gerichtet, das Gesicht vollkommen ausdruckslos, gefühllos ihren Qualen und ihrem Entsetzen gegenüber.
»Au-August«, schluchzte sie. »August!«
»Damit wäre die glückliche Familie ja wieder komplett«, kommentierte der böse Zauberer. »Sehr schön, so gefällt es mir.« Er winkte, und der andere grau Uniformierte ließ Pippas Arm los und kehrte zurück zu den anderen. Pippa hing kraftlos in Augusts Griff. Das Ticken in seinem Rücken schallte so bedrohlich laut in ihren Ohren, als kündigte es ihren nahenden Tod an – oder, noch schlimmer, den Moment, in dem sie selbst zu ticken beginnen würde. Sie schluchzte wieder und krampfte ihre Hand um den Beutel mit ihren Habseligkeiten. Ihre Finger glitten hinein und berührten alles, was darin war, schlossen sich um etwas Zartes, das trocken raschelte. Die Kleeblätter.
Pippa riss sie mit einem Schrei aus dem Beutel und schleuderte sie dem bösen Zauberer vor die Füße. Der Schwarze und der Weiße schraken zurück, nur August hielt sie weiter eisern fest.
Ostwind beugte sich vor. »Was haben wir denn da?«, fragte er interessiert. »Oh, ein ganz und gar unbezwinglicher, atemberaubender Zauber! Ich erzittere, meineLiebe.« Er hob die Kleeblätter auf, betrachtete sie eingehend und steckte sie dann in den Mund, um sie zu zerkauen und herunterzuschlucken.
»So, genug
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