Das gefrorene Lachen
aus, fuhr herum und stakste mit wütend abgehackten Schritten davon.
Pippa biss sich auf die Lippe. Es tat ihr immer sofort leid, wenn sie sich einmal mit Augustin stritt, denn er war darin ganz und gar nicht geübt. Wer fing schon mit dem Kronprinzen einen Disput an? Von ihr abgesehen natürlich.
»Das tut ihm mal ganz gut«, sagte sie schließlich, um ihr böses Gewissen zu besänftigen. »Als König muss er sich ja später auch durchsetzen können.«
Aber auf dem Weg zum Westflügel, in dem sie mit ihrem Vater wohnte, haderte sie mit sich. Warum musste sie sich immer mit Augustin streiten? Natürlich machte es sie wütend, wenn er so herablassend mit ihr sprach, aber als Königssohn hatte er wohl das Recht, so herablassend zu sein, wie er wollte!
Nur nicht gegen mich, dachte sie und hob trotzig das Kinn. Ich bin schließlich seine beste Freundin und nicht irgendeine Bedienstete!
*
Laurentio saß mit dem Haushofmeister am offenen Fenster. Sie spielten Krabbe und Wiesel, ein Brettspiel,das Pippa für zwei erwachsene Männer unglaublich kindisch fand.
Der Haushofmeister blickte auf und lächelte sie an. »Philippa Saffronia, meine Liebe«, sagte er mit seiner hohen Stimme, »du wirst immer hübscher.« Er wandte sich an Laurentio: »Lorenz, du solltest ein bisschen auf meine Nichte aufpassen, damit sie den jungen Männern hier am Hof nicht zu sehr den Kopf verdreht.«
Pippa wurde rot, das konnte sie spüren. Sie räusperte sich ärgerlich. Was interessierten sie all die jungen Männer am Hof? Es gab nur einen, dessen Meinung ihr etwas galt, und der beachtete sie nicht. Jedenfalls nicht so, wie sie es gern gehabt hätte.
Laurentio nickte geistesabwesend und zog mit der Krabbe über den Hügel. »Du bist dran, Alonso«, sagte er.
Alfons fuhr sich mit den Fingern in sein weißes Haar, dass es zerzaust zu Berge stand, und musterte betrübt das Spielbrett.
Pippa nahm ein Buch aus dem Regal und setzte sich damit in ihren Lieblingssessel. Sie zog die Beine unter sich, legte das schwere Buch in ihren Schoß und schaute dann aus dem Fenster. Hinter den Bäumen ging die Sonne unter. Pippas Gedanken trieben auf dem Rauschen der Bäume und den leise murmelnden Stimmen der beiden Männer hinaus in eine sanftblaue Ferne, in der sie und Augustin Arm in Arm über eine Blumenwiese spazierten und der Prinz ihr ins Ohr flüsterte, dass niemand anders als sie seine Prinzessin sein solle. Er strahlte sie mit seinen samtbraunen Augen an, das Licht schimmerte in seinen dunklen Locken und malte sanfteSchatten auf seine Stirn, und er war ganz und gar nicht herablassend.
Sie hob die Hand und streichelte seine Wange, die weich war und flaumig wie ein Pfirsich. Und dann beugte er sich zu ihr hinunter (denn im Traum war er größer als sie) und wollte sie küssen, aber …
»Du schläfst ja mit offenen Augen«, rief ihr Vater und nahm ihr das Buch ab. »Ab ins Bett, Philippa Saffronia. Ich brauche morgen einen frischen und munteren Lehrling für die Vorbereitung des Feuerwerks!«
3
Der Elefant hat Gelenke, aber keine für die Höflichkeit;
seine Beine sind Beine fürs Bedürfnis, nicht für die Verbeugung.
Troilus und Cressida
Der große Vorhof, der sonst leer und friedlich im Schatten der alten Bäume lag, war an diesem Mittag so belebt wie der Marktplatz der Residenz beim jährlichen Hopfenfest. Kutschen rollten über die Einfahrt hinauf zur großen Freitreppe, Diener schleppten eisenbeschlagene Kisten, große Lederkoffer, Hutschachteln und Reisetaschen ins Haus, und fässerbeladene Karren und Wagen mit Obst und Käse holperten über das Pflaster zum Kücheneingang.
Festlich gekleidete Menschen schritten über die weiten Rasenflächen und lustwandelten durch die Gärten der Königin: den Rosengarten mit seiner blühenden und duftenden Pracht, den Heckengarten und das große Labyrinth, den kleinen, verträumten Laubengarten, der von schattigen Gängen durchzogen war, die in lauschigen Plätzen und Sonneninseln mündeten und in dem es nach Lavendel und blühenden Kräutern duftete.
Der große Pavillon, der auf dem vorderen Rasen errichtet worden war, summte vor Geschäftigkeit. Diener deckten lange Tafeln mit weißem Damast und blitzendem Kristall, poliertem Silber und glänzendem Porzellan.Der Duft erlesener Köstlichkeiten zog durch die Luft. Wein schimmerte rot und zartgelb in geschliffenen Karaffen. Kübel mit Eis und große Schalen, in denen Rosen schwammen, standen auf den langen Tischen, die sich nun nach und nach mit
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