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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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geflochtenem Gras zu erkennen war.
    Augustin kniff die Augen zusammen. »Ich verstehe nicht …«, begann er unbehaglich.
    »Wir sind seit zehn Jahren verlobt«, erwiderte Pippa. »Wir haben uns versprochen, niemals einen anderen anzusehen und immer und ewig zusammenzubleiben. Hast du das wirklich vergessen?« Natürlich hatte er es vergessen, das zeigte er ihr ja mit jedem seiner Worte und jeder Geste. Sie machte sich vor ihm wirklich lächerlich, aber sie konnte es einfach nicht mehr unausgesprochen lassen.
    »Aber«, murmelte der Prinz, »aber – Pippa, wir waren Kinder!«
    »Ja und?«, rief sie. »Vergolde dich!« Der Grasreif verwandelte sich wieder zurück in Zaubergold.
    »Pippa, ich bitte dich«, erwiderte Augustin. »Du musst das verstehen: Eines Tages werde ich König sein, und da kann ich nicht …«
    »… mit der Tochter eines Bediensteten als Königin an deiner Seite regieren«, ergänzte sie bitter. Wie dumm sie gewesen war, wie dumm und kindisch!
    Augustin nahm ihre Hand. »Du bist meine allerbeste Freundin, und das wirst du auch immer bleiben.«
    Beide schwiegen. Schließlich zog Pippa sanft ihre Hand weg. Sie konnte es ihm doch nicht übel nehmen,dass er sie nicht wirklich liebte. Vielleicht sollte sie zufrieden damit sein, dass er sie als seine beste Freundin betrachtete. Wenn ihr der Gedanke nur nicht das Herz brechen würde!
    »Geh, Gustl«, sagte sie. »Das ist deine Feier. Lass deine Gäste nicht allein.« Wenn er nun bei ihr bliebe, wenn er nun begriffe, dass er sie liebte und niemanden sonst, wenn er sie umarmte und küsste und ihr versicherte, dass er sie nie, nie wieder enttäuschen würde – dann würde alles gut.
    Er stand noch eine Weile unschlüssig, mit hängenden Schultern da, dann wandte er sich ab und ging davon.
    Pippa blieb am Seeufer, bis die Sonne hinter den Baumwipfeln verschwunden war und herankriechende Schatten die Nacht ankündigten. Sie wog den Ring in der Hand, machte mehrmals Anstalten, ihn ins Wasser zu schleudern. Aber dann, mit einem Seufzer, hängte sie sich das Kettchen wieder um und folgte Augustin zurück zum Schloss.

4
    Wer hoch steht, den kann mancher Windstoß treffen,
Und wenn er fällt, so wird er ganz zerschmettert!
    Richard III.
    Das Schauspiel zog Pippa trotz ihres Kummers in seinen Bann. Sie hatte den Anfang des Stückes verpasst und begriff nicht wirklich, worum es ging. Da war ein Zauberer, der mit seiner Tochter auf einer Insel lebte. Das gefiel ihr natürlich. Dann waren da Geister, die herumspukten, und Schiffbrüchige, die irgendwie mit dem Zauberer und seiner Tochter verwandt waren, und ein Jüngling, der ein Prinz oder etwas Ähnliches zu sein schien und sich in die Zauberertochter verliebt hatte.
    Pippa versank völlig in die Geschichte und störte sich weder an dem aus bemalten Brettern und fadenscheinigem Tuch gezimmerten Bühnenbild noch daran, dass der Darsteller des alten Zauberers ein junger Mann mit einem angeklebten weißen Bart war und der junge Prinz dafür ein älterer Schauspieler, der sich alle Mühe gab, jugendlich und feurig dreinzuschauen. Es war auch gleichgültig, dass die Darstellerin der Zauberertochter, eine der beiden Tänzerinnen, die Augustin so fasziniert hatten, ständig ihren Text vergaß, im Ausgleich dafür aber hübsch posierte, und die Souffleuse den Text so laut einflüsterte, dass auch die Zuschauer im hinteren Teildes Hofes das Echo hören konnten. Das alles störte den Zauber nicht. Das imaginierte Gewitter brach mit Blitz und Donner über die Insel herein, die Geister stachelten die Seeleute zum Mord auf, der hinterlistige Bruder zeigte Reue, der alte Zauberer verzieh ihm und das Liebespaar spielte Schach miteinander. Pippa war vollkommen hingerissen von alldem. » Wir sind aus solchem Stoff, wie Träume sind, und unser kleines Leben ist von einem Schlaf umringt «, wiederholte sie flüsternd die Worte des alten Zauberers. Wie schön und poetisch das war!
    Die Zuschauer im Innenhof und oben auf den umlaufenden Galerien folgten dem Schauspiel ebenso gebannt wie Pippa. Bis auf gelegentliches Hüsteln und das Rascheln von Stoff hatte kein Laut aus dem Publikum die Schauspieler in ihrer Konzentration gestört.
    Dann sprach der alte Zauberer seine letzten Worte zum Abschied, alle Schauspieler verneigten sich zum Applaus, der begeistert und von Bravorufen durchsetzt war, und dann trat der Darsteller des alten Zauberers vor, nahm seinen weißen Bart ab und bat mit einer weit ausholenden Handbewegung um Gehör.

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