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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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Während der Applaus erstarb, traten die anderen Schauspieler in den Hintergrund der Bühne zurück, sodass der junge Mann alleine an der Rampe zurückblieb, dramatisch angeleuchtet von den Öllampen, die dort aufgereiht waren. Er stand da, mit ausgebreiteten Armen, und blickte in die Runde. Von links nach rechts, dann nach oben in die Gesichter, die ihn erwartungsvoll aus den Galerien anschauten, dann wieder zurück und geradeaus in das Gesicht des Königs, der dem Schauspiel mit seiner Gemahlinund seinem Sohn von einem erhöhten Sitz im Hof aus gefolgt war. Ein Stück hinter ihnen im Schatten stand der Zauberer Laurentio, dessen rotes Haar im Widerschein des Rampenlichts unheimlich zu leuchten schien, und an seiner Seite, in strahlendes Weiß gekleidet, ihr Onkel, der Haushofmeister Alfons.
    Pippa hielt vor Spannung die Luft an. Etwas Ungeheures, Unerhörtes, Riesiges und Atemberaubendes lag in der Luft. Gleich würde etwas geschehen, was niemand erwartete und was alles vorher Gesehene und Gehörte weit in den Schatten stellen würde. Sie bohrte ihre Fingernägel in die Handflächen und genoss den Schauder, der über ihre Schulterblätter kroch.
    »König, hörst du meine Worte?«, begann der junge Mann auf der Bühne mit hallender, dunkler Stimme zu sprechen. Gehörte das noch zum Stück? »Ist es uns gelungen, dich und deine Gäste mit unserem Spiel zu unterhalten und zu amüsieren?«
    Der König dankte mit freundlichen und überaus leutseligen Worten, die dem jungen Mann seltsamerweise nicht zu gefallen schienen, denn sein Gesicht schien sich zu verdüstern. Oder war es das Licht- und Schattenspiel der blakenden Lampen, das diesen Eindruck hervorrief?
    Wieder verbeugte sich der Schauspieler tief, dann trat er mit einer großen Geste ein Stück zurück und rief: »Dann möge das Spektakel seinen Fortgang nehmen. Lasst euch verzaubern, wohlgesinnte Damen und edle Herren!«
    Aus seinem schlichten braunen Gewand stieg eine funkelnde Wolke auf, die in einem Lichtblitz erglühte,der von nirgendwoher zu kommen schien. Ahs und Ohs antworteten aus dem Publikum, das gebannt nach oben schaute, und eine Rauchwolke verdeckte den Komödianten. Pippa klatschte vor Freude in die Hände. Warum hatte sie ihn nicht erkannt? Jetzt trat er aus der Wolke hervor, in die Juwelenfarben der Robe gewandet, in der sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Der Turban umschloss erneut sein Gesicht, das ernst, beinahe zornig in die Ferne blickte.
    »Musik!«, rief er, und eine fröhliche, ein wenig schiefe Melodie klang durch die Luft, gefolgt von den Tänzerinnen, die Pippa bereits kannte, und zwei Männern, die Bälle und Keulen durch die Luft wirbelten. Ein Junge vollführte eine Reihe von Flickflacks und Salti rund um die Bühne, fünf andere bauten sich zu einer Pyramide auf, auf deren Spitze eine der Tänzerinnen balancierte, ein vierschrötiger, brummig aussehender Mann schluckte Feuer und spuckte es gleich darauf in einer meterlangen Lohe wieder aus – der ganze bunte, wundervolle Wirbel tanzte um den jungen Magier in der Mitte, der ruhig, mit verschränkten Armen dastand und das bunte Treiben mit verschatteten Augen beobachtete.
    Die Pyramide stand, ohne zu wanken, die Keulen und Bälle der beiden Jongleure flogen darüber hinweg, der saltoschlagende Junge sprang in einem letzten, atemberaubenden Wirbel hoch und von der Bühne, der Zauberer hob die Hände und alles erstarrte. Die Musik brach mit einem misstönenden Quieken ab.
    »Hochverehrtes Publikum«, rief der Magier, »ich bitte nun um eine Freiwillige.« Er ließ seinen Mantel wehen,die Bühne war mit einem Schlag leer und dunkel, bis auf eine kleine Lichtinsel, in der er in seinem bunt glühenden Kostüm stand. Sein Blick wanderte über die atemlos staunende Menge und blieb an Pippa haften. »Du, junge Dame«, sagte er.
    Pippa hörte, wie ihr Vater etwas rief, aber sie kümmerte sich nicht darum. Ein paar Schritte, eine vor ihr erscheinende Treppe, dann stand sie auf der Bühne neben dem Magier und sah ihm ins Gesicht. Er war geheimnisvoll mit seinen dunklen Mandelaugen, und immer noch fand sie, dass er nicht freundlich aussah, sondern eher zornig. Doch als er sie nun anredete, war seine Stimme sanft und süß.
    »Wie heißt du, meine schöne junge Dame?«
    »Philippa Saffronia.« Sie beugte sich vor und flüsterte: »Sie müssen mir zeigen, wie Sie das mit den kleinen Vögeln gemacht haben.«
    »Du warst damals doch gar nicht dabei«, erwiderte er, ohne seine Lippen auch nur eine

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