Das gefrorene Lachen
denn solch eine Unterlassung würde eine Schmach darstellen, die nur mit Blut abzuwaschen wäre.« Er verneigte sich erneut so tief, dass seine Stirn beinahe seine Knie berührte und sein Zopf über den Boden wischte.
Pippa riss die Augen auf. Lag in den gleichförmigen, ein wenig fremdartig singenden Worten des Boten gar so etwas wie ein drohender Unterton?
»Oh, ich bitte dich«, rief König Ferdinand unangenehm berührt aus. »Wir haben deinen Herrn nicht beleidigen wollen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, Wir haben den Namen deines Herren heute zum allerersten Mal vernommen. Dürfen Wir erfahren, über welches Land er regiert?«
Der Bote richtete sich wieder auf. Er sah den König nicht an, als er erwiderte: »Mein Herr, der mächtige und erhabene Zauberer Ostwind, herrscht über die Länder jenseits des Großen Grabens und der Himmelsberge. Sein Name wird mit Ehrfurcht genannt von den Ufern des Weißen Ozeans bis zu den Quellen des Heiligen Flusses Manketai. Seine Füße ruhen auf dem Nacken des Sternenstiers und seine Faust umschließt das Herzder Unendlichen Schlange. Seine Freunde preisen seine Güte und seinen Edelmut und seine Feinde zittern vor seinem Zorn. Die Sterne singen sein Lob und der Sturm erzählt von seinen ruhmreichen Taten.«
Der Mund des Boten schloss sich wie eine einrastende Tür. Pippa, die ebenso erstaunt gelauscht hatte wie alle anderen, die in Hörweite standen, holte tief Luft und sah ihren Vater an. »Was für ein aufgeblasener Kerl«, flüsterte sie.
Laurentio schüttelte mahnend den Kopf. Er schien von den Worten des Boten über die Maßen betroffen zu sein. Pippa wollte ihn fragen, was ihn so erschreckt hatte, aber Laurentio legte einen Finger auf die Lippen und blickte sie ungewohnt streng an.
Der König löste sich aus seiner verblüfften Starre. »Nun, äh«, sagte er ratlos, »Wir sind – äh – geehrt. Und so weiter. Richte deinem – äh – mächtigen und ruhmreichen Herrn Unseren brüderlichen Dank und Gruß aus. Jetzt wissen Wir ja, dass es ihn … Beim nächsten feierlichen Ereignis fühlen Wir uns geehrt, deinen Herrn einladen zu können. Ja. Und er möge Uns Unser Versäumnis nicht verübeln, das allein aus Unserer Unkenntnis seiner – hm – höchst geehrten königlichen Existenz entstanden ist. Wir gedenken, Unsere Minister für diesen Fehler zu rügen.« Er zupfte ein Tüchlein aus der Tasche und wischte sich damit über die Stirn.
Wieder verneigte sich der Bote stumm und begann sich rückwärts zu entfernen.
»Was war das denn?«, flüsterte der König seiner Gemahlin zu. Die Königin zuckte erneut mit den Schulternund schüttelte den Kopf. »Irgend so ein Provinzfürst, der meint, sich aufspielen zu müssen«, erwiderte sie spitz. »Du meine Güte! Alles, was wirklich Rang und Namen hat, ist heute anwesend. Sei nicht so bestürzt, mein Lieber. Man kann doch nicht jeden unbedeutenden Emporkömmling auf seine Gästeliste setzen.«
König Ferdinand steckte das Tüchlein fort und gab seinem Zauberer einen Wink. »Bitte, Laurentio.« Er räusperte sich ein paarmal.
Der Zauberer beugte sich vor und murmelte ein paar Worte, woraufhin der König sich aufrichtete und »Test. Test. Eins, zwei, eins, zwei«, sagte. Das Plaudern, Lachen und Besteckklirren rundum verstummte.
»Meine lieben Gäste, geehrte Königinnen und Könige, liebe Familie. Wir freuen uns, dass ihr heute so zahlreich erschienen seid …«, begann König Ferdinand. Er stockte und fummelte hektisch in seiner Rocktasche nach seinem Spickzettel. »Äh«, sagte er, und die Königin verdrehte die Augen. »Äh, dass ihr heute so zahlreich zum Wiegenfest unseres geliebten Sohnes erschienen seid. Wir, also meine Frau und ich, äh«, er stockte erneut und hielt den Spickzettel dichter vor seine Augen. Die Königin reichte ihm schweigend ihr Lorgnon, Ferdinand sagte zerstreut: »Danke, Liebes«, was natürlich jeder auf dem Schlossgelände ebenfalls zu hören bekam, und fuhr fort: »Als vor nunmehr siebzehn Jahren mein Sohn das Licht der Welt erblickte und auf die ruhmreichen Namen einiger seiner Vorfahren ›Augustin Ehrenreich Konrad Rubin Benedikt‹ getauft wurde, war das Glück seiner Eltern vollkommen.«
Pippa hörte, wie in der Nähe jemand halblaut sagte: »Ach du je. Er fängt bei Ask und Embla an.«
»Mein lieber Sohn«, las der König ab. »Schon (hier einfügen) Jahre später konntest du selbstständig laufen. Allerhand Schabernack hast du angestellt. (Kleine Anekdote zur Person
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