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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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über seine Augen fallen. »Ich war dumm und langsam, wie immer«, antwortete er schließlich. »›Ein August, wie er im Buche steht‹, hat er gesagt.«
    »Ach, August«, Pippa streichelte ihm über die Schulter. »Soll ich mit ihm reden? Vielleicht hört er ja auf mich.«
    Er schüttelte stumm den Kopf. Sie stieß ihn sacht in die Seite. »He, sag. Soll ich?«
    »Nein, lass«, erwiderte er beinahe unhörbar. »Er hat halt ein lockeres Handgelenk. Ich muss gelegentlich eine Ohrfeige vertragen können, sagt der Prinzipal.« Er blinzelte zu ihr hin. »Außerdem möchte ich nicht, dass Herr Alonso auf dich böse ist.«
    »Du bist lieb, Gustl.« Pippa seufzte. Sie selbst erlernte bei ihrem Vater das Handwerk der Zauberer-Assistentin und durfte von daher Lorenzos Ungeduld ständig in voller Länge, Höhe, Breite und Lautstärke erleben. Aber immerhin schlug er sie nicht, wie Alonso es mit August ständig tat – vielleicht auch nur, weil sie ein Mädchen war. Lorenzo belegte sie nur bei seinen Auftritten mit einem Schweigezauber und vergaß manchmal, ihn danach wieder zu lösen. Das war schlimm genug, tat aber wenigstens nicht weh.
    »Manchmal glaube ich, er ist gar nicht mein richtiger Vater«, murmelte sie und schluckte einen Anfall von Trotz herunter.
    August legte zögernd seinen Arm um ihre Schulter. Sie schniefte ein bisschen und putzte ihre Nase an der Schürze des Kochs.
    »Weißt du was?«, sagte er, um sie aufzumuntern. »Ich darf im neuen Stück des Prinzipals mitspielen. Ist das nicht großartig?«
    Sie sah ihn erstaunt an. »Das ist wirklich großartig! Siehst du, ich habe es dir immer gesagt – der Prinzipal braucht noch einen gut aussehenden Burschen wie dich im Ensemble.«
    Er lächelte und seine Nase kräuselte sich dabei ein wenig. Pippa musterte ihn voller Zuneigung. August war ein lieber Junge, groß und hübsch, mit dunklen Locken und samtbraunen Augen. Er konnte ja nichts dafür, dass er ein bisschen langsam im Kopf war und viel zu gutmütig und geduldig, um sich gegen Schikane zu wehren.
    Er stand auf, zog seine übergroße, schwarz-weiß karierte Hose an den bunten Hosenträgern hoch und schnitt eine Grimasse. »Ich muss zur Probe. Sonst fang ich mir gleich die nächste Maulschelle.« Er warf ihr einen schüchternen Handkuss zu und stiefelte in seinen klobigen Schuhen davon.
    Pippa schüttelte nachsichtig den Kopf und widmete sich wieder den Kartoffeln, während das unablässige Poltern, Schreien und Hämmern vom Theaterbau durch die Luft schallte.
    Endlich warf sie die letzte geschälte Kartoffel in den Zuber, das Messer auf den Eimer mit den Schalen, wischte ihre Hände an der riesigen Schürze trocken und stand auf, um sich zu recken. »Wie bekomme ich das alles jetzt zum Küchenwagen?«, fragte sie sich laut und blickte vom Eimer zum Waschzuber und wieder zurück.
    »Brauchst du Hilfe, schöne Frau?«, fragte ein stattlicher junger Mann, der gerade mit einem Textbuch in der Hand vorüberflanierte.
    Pippa blickte auf und errötete. Sie fuhr sich hastig über die Haare und das erhitzte Gesicht und erwiderte: »Oh, hallo, Lancelot.« Sie deutete verlegen auf das Heft in seiner Hand. »Das neue Stück?«
    Der junge Mann warf lässig seine blonden Haare zurück und streckte die Brust heraus. »Es heißt ›Maurizio, der Sarazene von Venezia‹. Ich lerne gerade meine Rolle.« Bedeutungsvolle Pause, in der er sie aus tiefblauen Augen erwartungsvoll anschaute.
    »Hast du viel Text zu lernen?«, fragte Pippa, die wusste, was von ihr erwartet wurde.
    »Ich spiele beinahe die Hauptrolle«, erwiderte der junge Mann triumphierend. Er hielt ihr das Heft unter die Nase und deutete auf das Blatt mit den handelnden Personen: »Schau, ›Rodrigo‹, das bin ich.« Er blätterte weiter und fuhr mit dem Zeigefinger die Seiten entlang. »Da, das muss ich alles lernen. Ich komme in so gut wie jeder Szene vor!« Beifall heischend sah er sie an.
    »Donnerwetter!«, bemühte sich Pippa um einen angemessen beeindruckten Kommentar. Sie lächelte zu ihm auf, und der junge Mann warf sich noch ein wenig mehr in die Brust. »Darf ich dich zum Theater zurückgeleiten? Es wäre mir ein Vergnügen.« Er bot ihr galant den Arm.
    Pippa schaute auf die Kartoffeln zu ihren Füßen. »Ich danke dir, Lancelot«, sagte sie bedauernd. »Aber das hier muss alles zum Küchenwagen, und ich fürchte, dass selbst du nicht stark genug …« Bei den letzten Worten biss sie sich auf die Zunge und hätte sie am liebsten

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