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Das gefrorene Lachen

Das gefrorene Lachen

Titel: Das gefrorene Lachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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Taschentuch und wandte sich wieder an ihren Vater. »Also, Lorenzo? Räumst du jetzt die Manege?«
    Der Magier verschränkte die Arme vor der Brust und erwiderte den Blick des Weißclowns ebenso unnachgiebig. »Auf keinen Fall, Alonso.«
    Pippa spürte, wie jemand sie am Arm berührte. Sie blickte sich um und sah in Augusts besorgtes Gesicht. Er war ebenfalls in Kostüm und Maske. »Ich habe dich in der Kiste gehört und Zarter geholt«, flüsterte er.
    Pippa lächelte ihm zu und machte eine Handbewegung vor ihren Lippen, als würde sie einen Schlüssel herumdrehen.
    »Oh«, sagte August, und seine dunkel umrandeten Augen mit den schwarzen Tränen darunter wurden groß vor Schreck. »Oh, Pippa, hat er es schon wieder gemacht? Das tut mir so leid!« Er zupfte an seiner knallbunten Fliegeund rückte die rote Perücke zurecht. »Soll ich … Kann ich …« Er machte eine hilflose Handbewegung zu Pippas Vater.
    Pippa schüttelte energisch den Kopf. Es hatte wenig Zweck, Lorenzo um etwas zu bitten, wenn er gerade mit seinem Erzfeind stritt.
    »August!«, rief der Weißclown mit seiner unangenehm hohen Stimme. »Hierher!«
    August zuckte zusammen. Pippa nickte mitfühlend und versetzte ihm einen aufmunternden Stoß.
    »Ich bin schon da, Herr Alonso«, rief August und watschelte und hüpfte in seinen zu großen Schuhen, der zu weiten Hose und mit flatternden Frackschößen zu seinem Ausbilder zurück.
    Pippa seufzte. Lorenzo und das alte Weißgesicht stritten immer noch miteinander und keiner schien nachgeben zu wollen.
    »Was ist hier los?«, donnerte ein mächtiger Bass durch den halbdunklen Theaterbau. Die streitenden Stimmen verstummten, alle schauten zum Bühneneingang. Dort stand der Prinzipal, schon für die Abendvorstellung in seine rote Gala-Uniform gekleidet, und klopfte ungeduldig mit der Peitsche gegen seine glänzenden Lackstiefel. »Lorenzo! Alonso! Was geht hier vor?«
    Die beiden traten einen Schritt vor, als hätten sie eine Choreografie einstudiert, und fingen gleichzeitig an zu sprechen: »Er hat mich bei meiner Probe gestört!« – »Er blockiert die Manege mit seinem Gerümpel!«
    »Ruhe!«, donnerte der Prinzipal. Seine schwarzen Augen blitzten und sein schwarzer, hochgezwirbelterSchnurrbart schien sich zu sträuben. »Wo bin ich denn hier, im Zirkus?!« Er zeigte mit der Peitsche auf den Weißclown. »Alonso, wie oft soll ich es dir noch sagen: Das hier ist eine Bühne, keine Manege!« Dann schwenkte die Peitsche zum Magier: »Du hast dich genauso an die Probenzeiten zu halten wie alle anderen, Lorenzo!« Er hob die Peitsche und ließ sie knallen. »Also, räumt die Bühne, alle miteinander. Die Abendvorstellung wird jetzt eingerichtet.«
    Lorenzo knurrte, aber er gehorchte. Nach einem herrischen Schnippen seiner Finger packten sich seine Requisiten in eine der Kisten, die Karten, Blumen und Tücher flogen in die große Tasche, die Tauben flatterten aus dem Schnürboden herab und flogen zur Tür hinaus, der Tisch klappte sich zusammen und hoppelte hinter den Kisten und der Tasche her von der Bühne. Lorenzo warf den Kopf in den Nacken, schnaubte noch einmal angewidert und stolzierte davon.
    Pippa sah ihm bedauernd nach. Heute würde er ihr ihre Stimme mit Sicherheit nicht mehr zurückgeben.
    Hinter ihr schimpfte das alte Weißgesicht seinen Lehrbuben aus. »Dummer, dummer Kerl. Wie oft habe ich dir gesagt, dass du deine Nase nicht vergessen darfst? Die Nase ist das Wichtigste für einen August! Du bist sogar zu dumm, dir so etwas Einfaches zu merken!« Es klatschte laut. Pippa zuckte zusammen. Der arme Gustl, jetzt hatte er sich schon wieder eine Ohrfeige gefangen.
    Der Prinzipal, der hinter der Bühne mit einem der Maschinisten sprach, kam hervorgeschossen und stapfte auf den Weißclown zu. »Du schlägst den Jungen dochnicht schon wieder?«, fragte er drohend. »Das habe ich dir verboten, Alonso. Wenn jemand ihn ohrfeigen darf, dann bin ich das!«
    Der Weißclown rümpfte die Nase. »Mit Verlaub, Herr Prinzipal, der Junge ist dumm und renitent. Wenn ich ihm nicht gelegentlich einen kleinen Klaps gebe, lernt er nicht.«
    August, der sich die Backe hielt, sah ängstlich zum Prinzipal auf. Der legte väterlich eine Hand auf die Schulter des Jungen. »Lauf zu deiner Mutter«, sagte er. »Sie soll dir einen kalten Umschlag machen.« Mit drohender Miene richtete er seine Peitsche auf den Weißclown. »Wenn ich so etwas noch einmal erlebe, streiche ich dir für einen Monat die Gage.«
    Der Weißclown

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